Eine Kielerin mit Gespür für moderne Kunst aus Afrika
Sucht man in der Datenbank des British Museums nach „Katesa Schlosser“, so findet man 921 Einträge, die Digital Innovation South Africa -Datenbank zur Dokumentation des Kampfes um Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit in Südafrika zeigt 934 Einträge, die Basler Afrika Bibliographien besitzen seit 2001 ein Konvolut ihrer Briefe und Unterlagen zu Namibia. Frau Schlosser hat 29 Bücher veröffentlicht. Die Datenbanken Europeana und Deutsche Digitale Bibliothek weisen nur drei davon auf. Immerhin werden Teile der ca. 600 von ihr in Südafrika gesammelten Objekte, die sich im Kieler Stadtmuseum (als Depositum der dortigen Universität) und im Museum für Archäologie Schloss Gottorf befinden, demnächst in der Datenbak DigiCult der Museen Nord einsehbar sein (Start | Museen Schleswig - Holstein & Hamburg (museen-sh.de)).
Dr. Katesa Schlosser wurde 1920 in Dresden geboren und starb 2010 im Alter von 90 Jahren in Kiel. Ab 1947 arbeitete sie im damaligen Völkerkundemuseum der Christian-Albrechts-Universität der Stadt Kiel, zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft, ab 1960 als Kustodin der ethnologischen Abteilung des Zoologischen Museums der Universität Kiel. Auch wenn Teile des alten ethnologischen Museums seit 1995 bereits nach Schleswig überführt waren, war sie bis zu ihrem Tod dort anzutreffen.
Ihr zweites Engagement galt der „black African population“ in Südafrika (South African Government). 1953 fuhr sie mit einem neunmonatigen Stipendium zum ersten Mal dorthin. Voller Begeisterung schrieb sie 1954 in einem Brief an Freunde: „Aber könnt Ihr Euch vorstellen, wie glücklich ich war, ein Stipendium für Südafrika erhalten zu haben? Ich glaube, niemand wäre glücklicher gewesen als ich, und ich genoss meinen Aufenthalt dort vom ersten bis zum letzten Tag. Ich hatte das Glück, dort eine Menge Farbfotografien machen zu können. Nun muss ich viele Vorträge über Südafrika in verschiedenen Dörfern und Städten halten – sogar in Dänemark –, und ich beginne meistens mit den Worten: „Die Südafrikaner halten ihr Land für das beste in der Welt – und ich stimme ihnen zu!“ (Grogau 2011: xi). Dieser Satz befremdet angesichts der 1948 institutionalisierten Apartheitspolitik in Südafrika. Er lässt sich nur damit erklären, dass sie sich bei ihren Forschungen fast ausschließlich in den von Schwarzen dominierten Gebieten (den frühen Reservationen und späteren Homelands) aufhielt. Mehr als 40 Jahre lang besuchte sie Südafrika, manchmal zweimal im Jahr.
Wer Katesa Schlosser sagt, muss auch Laduma Madela sagen
Seit Juni 1959 besuchte sie den ca. 1906 geborenen Laduma Ncwaba Mikaeli Madela und seine Familie auf dem Ceza Berg in späteren Homeland KwaZulu-Natal. Bis zu seinem Tod im Jahre 1996 blieben beide in engem Kontakt. Wenn sie ihn nicht besuchte, schrieben sie sich Briefe. Laduma Madela war ein traditioneller Heiler und zudem ein vielseitiger Handwerker, Schmied, Schnitzer, Maler, Philosoph und Autor, der sich das Schreiben selbst beigebracht hatte. Viele seiner Gedanken und Werke hat Frau Schlosser festgehalten, gesammelt und veröffentlicht. Die jeweiligen Bücher hat sie ihm beim nächsten Besuch in Südafrika mitgebracht.
Schlossers Ziel bei ihren Publikationen war es, „eine möglichst umfassende Darstellung von Madela selbst und seinen Werken der Nachwelt zu überliefern, da Madela in der Zeit des extrem rasch fortschreitenden Kulturwandels noch weitgehend die traditionelle Kultur der Zulu repräsentiert und ihrem Gedankengut verhaftet ist“ (Schlosser 1986: 1). Schließlich, meinte sie halb augenzwinkernd, „hatte Laduma seine stärkste Magie aufgeboten, um mich zwecks gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit an sich zu binden“ (Schlosser 1972: 61, 62; 1984: 1). Madela hatte, so Schlosser, erkannt, dass es wichtig war, sein Wissen schriftlich und bildlich festzuhalten, damit es bewahrt und weitergegeben kann. Als erster Zulu schuf er Bilder vom Schöpfergott Mvelingangi. Es entstand eine Form religiöser Kunst, die es bisher in Südafrika noch nicht gab (Schlosser 1975: 93). Leider konnte erst ein Jahr nach seinem Tod die Veröffentlichung der englischen und Zulu-Version seiner Texte und Zeichnungen finanziert werden.
Eine frühe Sammlerin zeitgenössischer afrikanischer Kunst
1975 veröffentlichte Katesa Schlosser in einer Fachzeitschrift einen Beitrag über dreizehn schwarze Künstler in Südafrika. Dies war das erste Mal, dass man in Deutschland über ganz unterschiedliche, zeitgenössische schwarze Künstler lesen konnte. Inspiriert zu dieser Forschung wurde sie von Killie Campbell, die in Durban eine große Privatsammlung zusammengetragen hatte. Auch Frau Schlosser kaufte Werke der von ihr besuchten Künstler und stellte sie im Museum in Kiel aus. Damit war sie eine Vorreiterin, denn zeitgenössische afrikanische Kunst wurde erst ca. 10 Jahre später von den großen Museen und Galerien in Deutschland und in Südafrika selbst „entdeckt“, so z.B. in der wegweisenden Ausstellung „The Neglected Tradition: Towards a New History of South African Art“ 1988 in Johannisburg. Viele wichtige Werke der Pioniere schwarzer südafrikanischer Kunst befinden sich heute in Kiel und Schleswig.
Die von Schlosser porträtierten Künstler sind zwischen 1885 und 1930 geborenen, sie schufen ihre Werke in einem Land, das durch seine Politik der institutionalisierten Unterdrückung Nichtweißer gekennzeichnet war. Daher konnten begabte junge Menschen wie Milwa Mnyaluza„George“ Pemba, Gerard Bhengu oder Hezekiel Ntuli keine formale Künstler-Ausbildung in Südafrika erhalten.
Der seit seiner Kindheit malende Pemba (1912-2001) kam mit 19 Jahren in Kontakt mit der Aquarellmalerei und hatte schon einige Bücher illustriert, bevor er im Alter von 25 vier Monate mit einem Stipendium als externer Schüler an einem Kurs an der Rhodes Universität teilnehmen konnte. 1942 wandte er sich der Ölmalerei zu, die besser geeignet zu sein schien, die sozialen Ungerechtigkeiten und Not der schwarzen Südafrikaner zu zeigen. Ab 1956 betrieb er mit seiner Frau ein Geschäft, das ihm und seiner Familie den Lebensunterhalt sicherte und malte nebenbei. Über den Vorwurf weißer Kritiker, er male „keine afrikanische Kunst“, da sie nicht „primitiv“ sei, konnte Pemba nur schmunzeln.
Gerard Bhengu (1910-1990) ist ein weiterer Pionier. Er war der erste schwarze Künstler Südafrikas, der von seiner Kunst leben konnte. Auch er erlebte Unterstützung durch engagierte Mentoren, die sein Talent förderten, aber auch er erhielt keine formale Ausbildung, da sich einer der Kunstprofessoren dagegen wehrte. Ab 1936 stellte er seine Werke aus und nach dem zweiten Weltkrieg verkauften sich seine Aquarelle gut an Touristen, die mit den ersten Kreuzfahrtschiffen in Durban anlegten. 1965 wurde ein erstes Buch über ihn und seine Arbeiten publiziert.
Der vor 1900 geborene Zizwezenyanga (Tivenyanga) Qwabe fiel zuerst der südafrikanischen Sammlerin Margaret Roach (Killie) Campbell 1937 auf. Er verkaufte auf der Agricultural Show in Durban beschnitzte Stirnbretter der Gestelle zur Aufbewahrung von Schlafmatten. 1959 traf ihn Katesa Schlosser auf der Bantu Agricultural Show in Nongoma. Aus einem geschwärzten Brett kerbte er unterschiedliche Figuren heraus, deren Konturen er vorher hineingeritzt hatte. Der überwiegende Teil seiner Bretter wurde damals von Andenkenhändlern gekauft. 2009 gelangten einige seiner Werke ins Art Institute Chicago und gelten dort als Werke eines künstlerischen Pioniers.
Hezekiel Ntuli (1912-1973) wiederum modellierte seit seiner Kindheit Figuren aus Lehm, die sich gut verkauften und ihm ermöglichten, seinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Auch er erhielt keine professionelle Ausbildung. Der weiße Leiter der „Native Economic Commission“ hatte Bedenken, dass seine „natürliche Begabung“ darunter leiden würde. 1930 und 1931 stellte Ntuli in der Kategorie der „Native Exhibits“ auf der Südafrikanischen Akademie der Künste aus. Um seine Tierfiguren und Büsten von Zulufrauen und -männern mit immer wechselndem Gesichtsausdruck rissen sich schon bald die Andenkenhändler. Die Lage seines Anwesens war in einer Karte der südafrikanischen Tourismuskarte eingezeichnet und er wurde zum populärsten „Native Craftsman“ oder „Naive Sculptor“ Südafrikas, sein Bild zierte bald Postkarten, Zeitungen und Zeitschriften zierte.
Mit den Werken dieser und anderer Künstlerpioniere aus Südafrika legte Katesa Schlosser die Grundlage für einen Schatz, der in Europa und den USA einzigartig ist.
Wer sich für den Südseebestand der alten Kieler ethnographischen Sammlung interessiert, kann Teile davon in der 2020 eröffneten Dauerausstellung des Schifffahrtsmuseum sehen.
Fotos: Kiel: © Stadt- und Schifffahrtsmuseum Kiel, Arbeitsfoto Kalka; Schleswig: © Museum für Archäologie Schloss Gottorf, Fotograf: Sönke Ehlert, Kiel
Literatur:
Grogan, Patrick
2011 PA. 44. Katesa Schlosser (1920-2010). Teilnachlas. Die „Herero-Akte“. Zur Geschichte und Ethnographie der Diaspora von Herero und Mbanderu. Basel.
Schlosser, Katesa
1972 Zauberei im Zululand. Manuskripte des Blitz-Zauberers Laduma Madela. Kiel.
1975 Bantukünstler in Südafrika. In: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 100, Heft 1 /2, S. 38-98.
1984 Medizinen des Blitzzauberers Laduma Madela. Kiel
1986 Handwerke des Blitzzauberers Laduma Madela. Kiel
Onlinequellen: (alle zuletzt abgerufen am 21.1.2022):
Katesa Schlosser | British Museum
Katesa Schlosser (gelehrtenverzeichnis.de)
Microsoft Word - Katesa_Schlosser (uni-kiel.de)
South Africa's people | South African Government (www.gov.za)
South Africa's population | South Africa Gateway (southafrica-info.com)
Laduma Ncwaba Mikaeli Madela | South African History Online (sahistory.org.za)
PA.44_Katesa-Schlosser.pdf (baslerafrika.ch)
Schlosser, Katesa – Basler Afrika Bibliographien
SP Katesa Schlosser (germananthropology.com)
Katesa Schlosser | Digital Innovation South Africa (ukzn.ac.za)
Katesa Schlosser | Digital Innovation South Africa (ukzn.ac.za)
Kunst in Zeiten der Apartheid | Main-Taunus (fnp.de)
Modern African Art : A Basic Reading List
Margaret Roach Killie Campbell | South African History Online (sahistory.org.za)
Milwa Mnyaluza “George” Pemba | South African History Online (sahistory.org.za)
Artist of the Month: George Pemba - Ellerman House Blog
https://m.facebook.com/WoGA1884/photos/a.135119630269256/1140590509722158/?type=3
Johans Borman Fine Art / Artist Biographies / Pemba, George
Artist Notes: (Social) Realism: South Africa (gaelart.blogspot.com)
The Art of Gerard Sekoto - Kentake Page
Live Virtual Auction Lots | 8 November 2020 | Strauss & Co (straussart.co.za)
Gerard Bhengu SA artist, is born in Natal | South African History Online (sahistory.org.za)
Gerard Bhengu | South African History Online (sahistory.org.za)
Zizwezenyanga Qwabe | The Art Institute of Chicago (artic.edu)
South African Art (contemporary-african-art.com)
Das Ende der Apartheid-Gesetze | bpb
The Pioneers | South African History Online (sahistory.org.za)
About Us | Digital Innovation South Africa (ukzn.ac.za)
George Pemba | The Rehearsal: Umbhorho (1987) | Available for Sale | Artsy
George Milwa Mnyaluza Pemba | Art for Sale | Bio & Auction Results (straussart.co.za)
Bonhams : George Milwa Mnyaluza Pemba (South African, 1912-2001) At the Clinic
Zululand | historical region, South Africa | Britannica
South Africa's people | South African Government (www.gov.za)
South Africa's population | South Africa Gateway (southafrica-info.com)
Weiterführende Literatur
Savory, Phyllis
1965 Gerard Bhengu, Zulu Artist. With a bio graphical note and description of the plates.
Schlosser, Katesa
1971 Der Baca-Aquarellist Gerard Bhengu: einige Phasen seines Schaffens. In: E. J. de Jager (Hg): Man. Anthropological Essays. Presented to O. F. Raum. Cape Town. S 111-150.
Zwischen waffenstarrender Exotik und hierarchischen Konstruktionen – 120 Jahre Afrika im Geographieunterricht
Diesmal führt das vorgestellte Objekt nicht in ferne Welten, sondern direkt vor die Haustür. Es geht um zeitgeistabhängige Welt- und Wertvorstellungen, die durch im Unterricht oder zur Unterrichtsvorbereitung benutzte Materialien vermittelt werden. Ausgangspunkt sind die etwa 120 Jahre alten Schulwandbilder der Unterrichtsfächer Geographie und Naturkunde im Dorf- und Schulmuseum Schönwalde a. B. und im Museum für Archäologie Schloss Gottorf. Hier werden die Afrika betreffenden Geographiebilder vorgestellt.
Die sechs farbigen Buntdrucke sind jeweils 66 cm hoch und 88 cm breit und wurden von dem Leipziger Schulbilderverlag F. E. Wachsmuth gedruckt. Auf den weißen Rahmen der Bilder ist der Titel der Bilder zu lesen: „Eine Verhandlung unter dem Affenbrotbaum in Togo“, „Kamerun: Dorf mit Blick auf dem Kamerunberg“, „Ochsenzug in der Grassteppe von Südwestafrika“, „Dar-es-Salam“, „Blick vom Kilimandscharo auf die Massaisteppe und das Ugenogebirge“ und „Landschaft Moschi am Kilimandscharo“.
Zusätzlich gab der Verlag ein Buch für Lehrer heraus, das Hintergrundinformationen zu den Schulwandbildern enthielt. Diese sollten an die Schüler*innen weitergegeben zu werden und die auf den dazugehörigen Wandbildern dargestellten Szenen erläutern. Erschienen ist das Büchlein 1902.
Drei der Bilder wurden von dem Maler Wilhelm Kuhnert (1865-1926) gestaltet. Er ist verschiedentlich in Afrika gereist; dies wird in vielen Details seiner Bilder deutlich, so z.B. bei der Ausführung der Menschendarstellungen. Er dürfte die Menschen in vielen Skizzen vorher festgehalten haben – vermutlich ohne die Betreffenden vorher gefragt zu haben.
Über den anderen Maler, Franz Bukacz, ist wenig bekannt; er scheint nicht in Afrika gewesen zu sein. Seine Menschendarstellungen sind daher relativ einheitlich, weisen kaum Individualität auf und entsprechen eher einem rassistischen, karikaturhaften Stereotyp.
Die Farbdrucke zeigen zum einen teils wohlkomponierte Landschaften, die viele verschiedene Eigenschaften und im Begleitbuch beschriebene Details in sich vereinen, teils Landschaften, die der Maler augenscheinlich selbst gesehen hat. Die Landschaften sind zumeist grün, bewachsen mit Palmen und riesigen Bäumen, sie rufen eine Vorstellung von Bodenfruchtbarkeit und fast paradiesischer Üppigkeit hervor.
Die Menschen auf diesen Bildern sind zumeist klein und in harmonisch anmutenden Situationen innerhalb und außerhalb von Ansiedlungen dargestellt. Wir sehen insgesamt 51 schwarze Männer, neun schwarze Frauen und etwa 28 schwarze Kinder sowie sieben weiße Männer. Während auf jedem Bild afrikanische Männer und europäische Präsenz zu sehen sind, sind drei Bilder kinderfrei und eines frauenlos.
Insgesamt wirken die Bilder auf den ersten Blick wie Momentaufnahmen des Alltagslebens in den Kolonialgebieten, die ab 1884 vom damaligen Deutschen Reich, gegen massiven indigenen Widerstand, annektiert wurden. Die Afrikaner*innen werden in unterschiedlichen Tätigkeiten dargestellt, die ihren scheinbaren Alltag wiedergeben: Die Männer tragen Bananen oder Elfenbein in/durch den Ort, versammeln und beraten sich unter einem Baum, unterrichten, halten einen Markt ab, trommeln, hocken auf der Erde, schauen den Frauen zu, treiben Vieh zur Tränke, schmieden, stellen Palmöl her, sitzen zu Füßen eines Europäers auf „Entdeckungsreise“, stehen als Soldaten im Dorf oder befinden sich auf der europäischen Station. Die Frauen zerstampfen Getreide in einem Mörser, kümmern sich (stehend oder sitzend) um die Kinder, tragen Lasten auf dem Kopf oder begleiten zusammen mit einem/ihrem Mann die Viehherde. Die Kinder sitzen im Halbkreis zu Füßen ihres Lehrers, auf dem Schoß oder der Hüfte ihrer Mutter, gehen an ihrer Hand oder stehen hinter ihr. Insgesamt entsprechen diese Tätigkeiten eher dem europäischen Menschen- und Geschlechterbild als der afrikanischen Wirklichkeit, Sie unterschlagen nicht nur z.B. die starke Präsenz von Händlerinnen auf den Märkten und die Tatsache, dass Keramikgefäße mehrheitlich von Töpferinnen gefertigt wurden/werden. Vielmehr werden europäische Verhältnisse bei aller Exotik des Dargestellten als Norm gedacht.
Diese Exotik ist einen weiteren Blick wert. Sie steckt z.B. in der Weite, in den faszinierend großen Bäumen, in runden Häusern mit spitzkegeligen Dächern, in dem Vieh mit den ausladenden Hörnern, den Bananen und dem Elfenbein. Sie kennzeichnet die Umgebung als anders. Auch die Menschen werden in unterschiedlichem Maße als „die anderen“ gekennzeichnet: Die Fremden z.B. durch ihre Tropenkleidung, die Indigenen zusätzlich zu ihrem Kleidungsstil auch durch Details wie das Sitzen auf der Erde oder das Benutzen von Steinwerkzeugen. Dies rückt sie in die Nähe von vermeintlicher Primitivität.
Die europäische Präsenz ist ebenfalls interessant. In allen Bildern ist sie vorhanden, sei es in Form von Männern in heller Tropenkleidung, sei es in Form von festen europäischen Ansiedlungen oder Häusern, die sich meist hell und unorganisch herausstechend im Hintergrund abheben.
Die weißen Männer scheinen sich auf den ersten Blick unauffällig in die Gegebenheiten zu integrieren. Sie treten in der Regel zu zweit auf, nur der „Forschungsreisende“ ist alleine. Sie sind zumeist gut sichtbar positioniert, in der Regel im Zentrum des Bildes oder in der Nähe der Bildmitte. In zwei Bildern fehlen sie, stattdessen kann man im Hintergrund die damalige deutsche Militärstation Moschi (jetzt: Moshi) bzw. die kolonialen Bauten der Stadt Daressalam und ein weißes europäisches Schiff sehen. Von sieben dargestellten Weißen sind vier mit einem Gewehr bewaffnet. Auf jedem Bild mit einem weißen Mann ist ein Gewehr zu sehen. Nicht immer sind diese Waffen auf den ersten Blick zu erkennen, ganz im Unterschied zu den insgesamt zehn - senkrecht in den Boden gesteckten oder in der Hand gehaltenen -Speeren auf den Bildern „Verhandlungen unter dem Affenbrotbaume in Togo“ und „Blick vom Kilimandscharo auf die Massaisteppe und das Uguenogebirge“. Auf dem Bild „Kamerun: Dorf mit Blick auf den Kamerunberg“ finden wir zusätzlich zwei afrikanische Soldaten in deutschen Diensten, von denen einer ein Gewehr geschultert hat. Auf dem Bild „Landschaft Moschi am Kilimandscharo“ trägt der indigene Anführer einer Elfenbeinkarawane ein Gewehr sowie ein im Hintergrund in der Station patrouillierender afrikanischer Soldat. Das ergibt ein rechnerisches Verhältnis von sieben dargestellten weißen Männern, von denen vier ein Gewehr tragen und 51 schwarzen Männern, die mit zwei Gewehren und zehn Speeren bewaffnet sind. Latente Waffengewalt als Mittel des kolonialen Umgangs spricht aus jedem Bild.
Die vor 120 Jahre im Schulunterricht eingesetzten Bilder waren dazu angelegt, den Betrachter*innen (Lehrenden wie Lernenden) ein Bild von den vermeintlichen Gegebenheiten in den sogenannten „deutschen Schutzgebieten“ in Afrika vor Augen zu führen, quasi Land und Leute vorzustellen. Sie zeigen unterschiedlich große Menschen(gruppen) bei angeblichen Alltagsbeschäftigungen, eine Vielfalt an Ökozonen/Vegetationszonen, europäische Migration nach Afrika, eine Omnipräsenz von Waffen(gewalt) und indirekt Europäer als Arbeitgeber. Sie zeigen allerdings ein sehr idealisiertes Bild, das den tatsächlichen rassistischen und durch Gewaltherrschaft gekennzeichneten Alltag in den annektierten Gebieten mit seinen Kriegen, Enteignungen, Plünderungen, Vergewaltigungen, Vertreibungen, Entführungen und Zwangsarbeit etc. bewusst ausblendet. Stattdessen wird eine nach europäischen Vorstellungen „heile Welt“ unter deutscher Präsenz gezeigt.
Die Bilder laden zudem zu einem Gedankenspiel ein: Was, wenn man die Gewehre in Fotoapparate verwandelte und die Kleidung aktualisierte? Hätte man dann ein aktuelles Tourismus- /Touristenfotos vor sich?
Und falls Sie zufällig ein aktuelles Geographieschulbuch zu Hand haben sollten, lohnt sich ein Blick hinein. Bereits 1995 bemängelten Lütkes und Klüter in den von ihnen damals untersuchten gängigen Geographiebüchern eine seit der Kolonialzeit fast unveränderte stark „eurozentristische Sichtweise“, „die nur die eigenen Werte in den Mittelpunkt stellt“ (Lütkes, Klüter 1995: 65), ein evolutionistisches Gedankengut (ebd.: 54) und das Primat des wirtschaftlichen und technischen Standes bei der Beurteilung eines Landes (ebd.: 46, 55). Die 2015 von Marmer, Soe und Ziai durchgeführte Analyse von aktuelleren Unterrichtsmaterialien kommt zu ähnlichen Ergebnissen (S. 124, 125). Nur wenige Autoren haben sich explizit mit den Schulbuchillustrationen und ihren subtilen Botschaften beschäftigt (vgl. Awet)
Wenn Afrika in Ihrem Geographiebuch in Texten wie in Illustrationen durch seine reiche Vielfalt an Ökozonen / Vegetationszonen, kulturellen, wirtschaftlichen und religiösen Ausdrucksformen, Regionalgeschichte (jenseits von Altägypten und „Lucy“) charakterisiert wird, wenn Afrikaner*innen selbst zur Sprache kommen, wenn versteckte rassistische und/oder eurozentrische Botschaften, Werte und Klischees fehlen, wenn Probleme auch mit dem Eingebundensein des betreffenden Landes in internationale Verflechtungen erklärt werden und als Teil der Globalgeschichte verstanden und Gemeinsamkeiten betont werden u.V.m., dann halten Sie eine Neuauflage in den Händen, die auf der Höhe der aktuellen postkolonialen Debatte ist. Dasselbe gilt natürlich auch für die anderen Kontinente und ihre Bewohner.
Zum Schluss noch ein Ratespiel. Die folgenden 11 Aussagen stammen aus verschiedenen Schul- und Lehrerbüchern des Faches Geographie. Die ältesten Aussagen stammen aus dem erwähnten Büchlein von 1902, die jüngsten aus Büchern, die aktuell in Gebrauch sind. Können Sie spontan die Aussagen ihrer Entstehungszeit zuordnen?
„Durch die Ehrlichkeit der Afrikaner wurde dieses Doppelspiel […] bekannt.“ (1)
„Wir erblicken links einige Hütten. Die sind rund gebaut und haben ein spitzes Dach. Dasselbe ist mit Gras oder Schilf bedeckt. Eine einzige Öffnung dient als Fenster und Tür. Nachts wird sie mit einer Matte verhängt. Die breite Dorfstraße ist sauber und reinlich, und dieselbe Reinlichkeit herrscht in den Hütten.“ (2)
„Die Zulu […] leben von der Viehzucht, dem Ackerbau und von der Eisenverarbeitung. Die Zulu leben in Dörfern mit einfachen, strohbedeckten Hütten, welche in einem Kreis angeordnet sind. Sie haben einen König und einen Ältestenrat, welcher das Zusammenleben regelt.“ (3)
„Jeder Stamm in Afrika hat seine eigenen Masken für verschiedene Gelegenheiten. In erster Linie werden die Masken zur Beschwörung von Geistern verwendet. Sie dienen aber auch zum Schutz vor diesen Geistern.“ (4)
„Ihrer Religion nach sind sie Heiden, welche an viele Götter glauben, ihnen Opfer bringen und Feste feiern.“ (5)
„Afrika gilt als reich an Rohstoffen, Krankheiten und Konflikten sowie arm an Nahrungsmitteln, Wirtschaftskraft und politischer Stabilität. Wirtschaftlich einzig als Rohstofflieferant von Bedeutung wurden ihm – trotz anderslautender Bekundungen der Politiker – kaum Perspektiven in der Weltpolitik zugetraut. Denn die erreichten Erfolge wurden durch Umstürze, Gewaltausbrüche und die fast allgegenwärtige Korruption immer wieder in Frage gestellt.“ (6)
„Sie nennt man auch die Zukunftsbauern Ostafrikas.“ (7)
„Die gesellschaftliche Entwicklung durchläuft nach der Modernisierungstheorie fünf Stadien (Beispiel): 1) traditionale Gesellschaft (Mali), 2) Übergangsgesellschaft (Ägypten), 3) Startgesellschaft (Malaysia), 4) reife Industriegesellschaft (Tschechische Republik), 5) Massenkonsumgesellschaft (USA).“ (8)
„Der Wohlstand freilich soll erst noch kommen, wie bei allen ackerbautreibenden Stämmen Ostafrikas, weil sie bisher durch die Raubzüge der arabischen Sklavenhändler unendlich viel zu leiden gehabt haben. Sind doch manche Stämme dabei ganz und gar ausgerottet worden!“ (9)
„So schauen manche Leute auch ein wenig abwertend auf einen Kontinent, der aber vieles bietet, was in unserer „Zivilisation“ verloren gegangen ist (z.B. Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Wissen um die Naturgegebenheiten).“ (10)
„Seit mehr als 25.000 Jahren durchstreifen die Jäger und Sammler die Savannen Afrikas. Sie benutzen keine Waffen, sondern jagen wie ihre Vorfahren mit Pfeil und Bogen“ (11)
Haben Sie es erraten können? Waren Sie verwirrt, weil die Aussagen nicht so eindeutig waren, wie Sie im Vorhinein gedacht hatten?
AUFLÖSUNG: Zitate 1, 2, 5, 7, 9) Eschner 1902: 20, 17, 34, 67, 66; Zitat 3) Keseberg 2021: Afrikanische Völker: Text; Zitate 4, 10, 11) Rosenwald 2015; Zitat 6) Scholz 2017: 84; Zitat 8) Waldeck 2018: 182
Literatur:
Awet, Kessete
2018 Die Darstellung Subsahara-Afrikas im deutschen Schulbuch. Gesellschaftslehre, Erdkunde, Geschichte und Politik der Sekundarstufe I (Gesamtschule) in Nordrhein-Westfalen. Opladen.
Bickford Berzog, Kathleen
2007 Ceramic Arts in Africa. In: African Arts, Spring 2007, S. 10-17.
Eschner, Max
1902 Deutschlands Kolonien. Heft I. Die deutschen Schutzgebiete in Afrika. Leipzig.
Frambach, Timo, Stefan Junker, Jürgen Marzinzik, Anja Mevs
2008 Diercke Geographie G8 für Schleswig-Holstein, Orientierungsstufe 5/6. Braunschweig.
Hamaimbo, Keith
2019 Errungenschaften Afrikas, die andere Seite der Realität. Bielefeld;
Lütkes, Christiana, Monika Klüter
1995 Der Blick auf fremde Kulturen. Ein Plädoyer für völkerkundliche Themen im Schulunterricht. Münster.
Marmer, Elina und Papa Sow (Hg.)
2015 Wie Rassismus aus Schulbüchern spricht. Kritische Auseinandersetzung mit ‚Afrika‘-Bildern und Schwarz-weiß-Konstruktionen in der Schule. Ursachen, Auswirkungen und Handlungsansätze für die pädagogische Praxis. Weinheim und Basel.
Marmer, Elina, Papa Sow und Aram Ziai
2015 Der ‚versteckte‘ Rassismus im Schulbuch. In: Marmer, Elina, Papa Sow (Hg.) 2015: 110-125.
Projekt Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel (Leo) beim Amt für Weiterbildung und Kultur des Bezirksamtes Mitte von Berlin und Elina Marmer (Hg.)
2015 Rassismuskritischer Leitfaden zur Reflexion bestehender und Erstellung neuer didaktischer Lehr- und Lernmaterialien für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit zu Schwarzsein, Afrika und afrikanischer Diaspora. (abgerufen unter: https://www.elina-marmer.com/wp-content/uploads/2015/03/IMAFREDU-Rassismuskritischer-Leiftaden_Web_barrierefrei-NEU.pdf).
Rosenwald, Gabriela
2015 Lernwerkstatt Afrika: Die Kontinente der Erde kennen lernen. Kempten.
Samson, Marita
2020 Global Heroes – Heldinnen und Helden aus Afrika. Vorbilder aus Afrika machen Schule. München.
Scholz, Fred
2017 Länder des Südens. Fragmentierende Entwicklung und Globalisierung. Braunschweig.
Waldeck, Winfried
2018 fit fürs abi. Oberstufenwissen Erdkunde. Braunschweig.
Onlinequellen:
Kersting, Philippe
2021 Afrika im Schulbuch – Vergleich der Darstellungen 2013 und 2021. (Ernst Klett Verlag - Terrasse - Schulbücher, Lehrmaterialien und Lernmaterialien, 7.1.2022)
Keseberg, Sabrina : Afrikanische Völker – Text. https://www.grundschulatelier.de/Afrika-Werkstatt-Arbeitsblaetter-Sachunterricht(28.7.2021)
Kolonialpolizei – Wikipedia (15.11.2021)
cover_abok.indd (africavenir.org) (24.11.2021, S. 12-17)
Deutsches Erbe in Kamerun - Nach 100 Jahren startet Aufarbeitung (deutschlandfunkkultur.de) (6.12.2021)
130 Ans De Résistance Anticoloniale Au Cameroun: Texte Intégral Du “Voeux Des Camerounais” Et Du Traité Du 12 Juillet 1884 - AfricAvenir International (6.12.2021)
Wilhelm Kuhnert – Wikipedia (6.12.2021)
Wilhelm Kuhnert (6.12.2021)
Thomas Ona. A carved wood and painted figure of a district officer - Auktionen & Preisarchiv (lotsearch.de) (6.12.2021)
KÖNIG DER TIERE. WILHELM KUHNERT UND DAS BILD VON AFRIKA - SCHIRN MAG (6.12.2021)
Diercke Weltatlas - Kartenansicht - El Fasher (Sudan) - Desertifikation in der Sahel-Zone - 978-3-14-100770-1 - 175 - 5 - 0 (westermann.de) (9.12.2021) streichen
978-3-12-105006-2 (livebook.de) (9.1.2022)
Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen
Mehr als nur Schuhwerk - Das kulturelle Gedächtnis der Mokassins
Im Jahr 1898 kaufte das Völkerkundemuseum der Universität Kiel eine Reihe von Gegenständen von Th. Susemihl. Der Betrag ist im Eingangsbuch nicht genannt, als Hersteller werden die „Sioux (Calif.)“ angegeben. Diese Angabe ist zunächst einmal merkwürdig, denn die Mitglieder der Sioux-Konföderation, die „Feuer der Sieben Stämme“, bewohnten die mehr als 1800 km vom US-Bundesstaat Kalifornien entfernt liegenden nördlichen Plains.
Die aus hirngegerbtem Leder hergestellten Mokassins haben eine doppelte Sohle, eine angenähte Zunge, ein Bindeband und zwei nach außen weisenden Lederstreifen an der Ferse. Das Vorderblatt wurde mit 10 Reihen rot gefärbter Stachelschweinborsten verziert; ein 9 bis 10 Glasperlen breites Band aus parallelen Perlensträngen bedeckt die Fersennaht sowie die Außenkante und reicht auf der Innenseite etwa bis zum Zungenansatz. Es ist weiß und weist fünf Blöcke aus blau-rot-blauen Quadraten auf, die durch schmale weiße Rechtecke voneinander getrennt sind. Der Sehnenfaden, auf den die Perlen aufgezogen sind, wurde durch die Mitte des Leders gezogen, der Faden kann beim Tragen der Schuhe also auf der Innenseite nicht scheuern und durchgescheuert werden. Die Lederoberfläche wurde nach dem Verzieren gelb gefärbt. Vergleichsobjekte aus der Sammlung der Nebraska State Historical Society, der Minnesota Historical Society und der Smithsonian Institution bestätigen die Zuordnung zu den Sioux.
Wie alle Native Americans („Indianer“) blicken auch die Sioux-Gruppen der Lakota, Westlichen und Östlichen Dakota auf eine wechselvolle Geschichte mit den Weißen zurück, die bis in die Gegenwart geprägt ist von den Folgen von Unterdrückung, Krieg, Enteignung, Vertreibung bis hin zu den Leiden in Konzentrationslagern (vgl. Hyman 2012) und Genozid.
Die Historikerin C. Hyman hat am Beispiel der Dakota herausgearbeitet, dass die unterschiedlichen Phasen des Kontaktes mit den Weißen auch mit unterschiedlichen Phasen der Veräußerung von Mokassins und „Handarbeiten“ einhergingen. Während für die Männer mit dem Wegfall der traditionellen Männeraufgaben (Jagd, Krieg) und dem Verbot der Durchführung von religiösen Zeremonien eine Identitätskrise einsetzte, konnten die Frauen der Dakota über die Fertigung von Mokassins für den Eigenbedarf und den Verkauf ihrer „Handarbeiten“ nicht nur den materiellen Lebensunterhalt ihrer Familie sichern, sondern auch für spirituelle und kulturelle Kontinuitäten sorgen – teilweise sogar unter den Augen der Missionare. Letzteres geschah in manchen Reservationen in von den Missionaren gegründeten Frauengruppen. In für unverdächtig gehaltenen „Handarbeitskränzchen“, in denen die Frauen in den Augen der Missionare „typisch weiblichen“ Beschäftigungen nachkamen, tradierten sie nicht nur die Form der traditionellen weiblichen Arbeitsgruppen, sondern gaben u. a. auch spirituelles und traditionelles medizinisches Wissen an die jüngeren Frauen und Mädchen weiter.
Neben Lederarbeiten erfreuten sich Patchworkarbeiten (sogenannte „Quilts“) schnell großer Beliebtheit. Nicht nur, weil die Frauen leicht an das Material kamen, das u. a. aus Kleiderspenden an die Mission bestand, sondern auch, weil diese Arbeit traditionellen Design-Prinzipien folgen konnte. Beliebt war eine rote Umrandung, wie sie auf einem weiteren von Susemihl gekauften Objekt zu sehen ist. Allerdings ist diese Arbeit sehr einfach gehalten im Vergleich zu anderen Quilts, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden.
Über Händler und Missionare wurden die Erzeugnisse der Dakota-und Lakota Frauen im Land verkauft. Schon früh entstand ein amerikanisch-europäischer Sammlermarkt, den die Frauen mit Erfolg bedienten. In Katalogen wurden die Erzeugnisse beworben: „Möglicherweise gibt es keinen Artikel indianischer Herstellung, der so bekannt und so typisch indianisch ist wie die Mokkassins.“ Auch konnten die Mokassins mit unterschiedlich starker Perlenbestickung bestellt werden: „beaded toe; one half beaded; three-quarters beaded; solidly beaded over tops; beaded all over, top and bottom“.
Bei den Lakota kam noch ein anderes Moment dazu: Den Lakota-Männern der Pine-Ridge-Reservation, denen der Ruf der gewonnenen Schlacht am Little Big Horn vorauseilte, bot sich ab den 1880er Jahren ein Einkommen als Teilnehmer von Wild West Shows. Andere nahmen bei in den USA stattfindenden Weltausstellungen teil, 1894 z. B. im „Sioux-Indianer Dorf“ in San Francisco. Das sich auf 4 acre (= 2 ¼ Fußballfelder) erstreckende Sioux-Dorf der Weltausstellung in Omaha (1898) wurde im offiziellen Führer als „living ethnological exhibit of rarest interest“ hoch gelobt. Integraler Bestandteil sowohl der Wild West Shows als auch der Ausstellungen war der Verkauf von Perlenarbeiten. Die Frauen müssen derartig viele Perlenarbeiten hergestellt haben, dass unter den Oglala-Sioux der Pine-Ridge Reservation der Witz umging: „If anything didn’t move, an Oglala woman would bead it.“ Herr Susemihl hat die Mokassins und die Patchworkarbeit, die er dem damaligen Kieler Völkerkundemuseum verkaufte, also höchst wahrscheinlich auf der Weltausstellung in San Francisco erstanden.
Perlenstickerei und Patchworkarbeiten werden bis heute bei den verschiedenen Gruppen der Sioux hergestellt: Kleidung für die Pow-Wow-Tanzwettbewerbe, Mokassins und Decken, Sneakers und High Heel-Stilettos, Ohrringe und Armreifen, Satteldecken und Masken für Pferdeköpfe, Puppen und vieles andere mehr werden von Frauen, und neuerdings auch Männern, für den Eigenbedarf, den Verkauf an Touristen oder den Kunstmarkt gefertigt. Und wie früher liegt z. B. im Verzieren und Verschenken dieser Stücke eine mehrfache spirituelle Komponente: Zum einen inspiriert in der Vorstellung der Dakota und Lakota das Geistwesen „Double Woman“ bzw. „Two Woman“ die Frauen bei der Verzierung und der Arbeit, zum anderen können die Muster z.B. spirituelle Wesenheiten abbilden und drittens handelt es sich bei dem Akt des Verschenkens innerhalb des Familienkreises um ein komplexes Geflecht aus Ehrung der aktuell beschenkten Verwandten, Ehrung aller Verwandten, ihrer „spirits“ und der gesamten Schöpfung. Die „functional art“ der von den Frauen gefertigten Alltagsgegenstände enthält und bringt das Heilige, „wakan“, in den Alltag.
Literatur
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http://collections.mnhs.org/cms/display?irn=10424026&return=q%3Dquilt%2520sioux
http://search.mnhs.org/index.php?q=quilt%20dakota&startindex=26
(letzter Aufruf der Webseiten am 22.6.2019)
Vom Weißen Meer zur Nordsee – Ost-West Beziehungen von Schalen, Schatullen und Dosen
Im Vergleich zu anderen Weltgegenden sind Objekte aus dem äußersten Norden Osteuropas und anderen Orten Russlands in den Sammlungen der bislang besuchten Museen in Schleswig-Holstein eher selten. Umso überraschender ist ihre „hohe Konzentration“ in den nordfriesischen Museen. Zunächst erstaunt es, dass vor allem in niederländischen Seefahrtmuseen ebenfalls viele sehr ähnliche Vergleichsobjekte zu finden sind. Wie genau die Beziehung der Inselnordfriesen zu den Niederländern ausgesehen hat, ja, ob es quasi zwischen West- und Inselnordfriesen eine Art „panfriesischer Allianz“ gegeben hat, ist von Historikern zu klären. Fest steht, dass die Inselnordfriesen nicht nur im Walfang, sondern auch stark in der internationalen Handelsschifffahrt engagiert waren, was die in den Museen erhaltenen Objekte beweisen.
Da sind zum einen die in den Niederlanden so genannten „Riganäpfe“ („riganappen“), kleine gedrechselte Schalen, aber auch Pokale oder Löffel („rigawerk“) aus Pappelholz, die in leuchtenden Farben zumeist rot-golden bemalt waren. Der Name ist etwas irreführend, denn er bezeichnet nur den Ort, in dem die Gegenstände von den Seefahrern gekauft wurden, nicht aber den Ort ihrer Entstehung. Dieser liegt etwa 1.500 km weiter gen Osten, in Chochloma bei Nischni Nowgorod, ca. 500 km östlich von Moskau. Hier wurden ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert derartige Gefäße hergestellt, die sich überregional schnell großer Beliebtheit erfreuten. Im Jahre 1870 wurden z. B mehr als 900.000 Stück produziert und nicht nur in Riga, sondern auch bis nach Kirgisien und Indien verkauft. Die Schalen waren ein beliebtes Mitbringsel und viele Seeleute nahmen auch Bestellungen ihrer Nachbarn auf.
Eine zweite Gruppe von russischem Kunsthandwerk stammt aus Archangelsk, oder genauer gesagt, Cholmogory, einer alten Hafen- und Handelsstadt an der Nördlichen Dwina, die die Stadt mit dem 75 km entfernten Archangelsk verbindet. Archangelsk war neben Riga und St. Petersburg ein wichtiger russischer Handelshafen. Bei den speziell von hier mitgebrachten Andenken handelt es sich um mit aufwendigen filigranen Schnitzereien aus Elfenbein und Knochen versehene Nadelholzschatullen. Die Elfenbeinschnitzereien aus Cholmogory faszinierten schon früh die russischen Zaren, die Ende des 17. Jahrhunderts die fähigsten Schnitzer an ihren Hof in Moskau holten. Hatten sie ursprünglich vor allem Kämme und Rosenkränze geschnitzt, produzierten sie nun vielfältigste Gegenstände des weltstädtischen Geschmacks wie Schachfiguren, Schreibtischutensilien, Schnupftabaksdöschen, Messergriffe, kleine Sekretäre und anders mehr. Mit der Verlegung des Hofes nach Petersburg machten sich einige von ihnen dort selbstständig. Doch auch in Cholmogory wurde weiter produziert, allerdings verwendete man ab Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend auch Rinderknochen.
Ein ebenfalls beliebtes Mitbringsel waren zylinderförmige oder ovale Dosen aus Birkenrinde. Nur vergleichsmäßig wenige dieser Objekte haben sich erhalten, was sicherlich Material und Gebrauch geschuldet ist. Sie waren als Reise- und Transportbehälter beliebt, aber auch, weil sich in ihnen aufbewahrte Lebensmittel oder Tabakblätter länger frisch hielten. Die in den nordfriesischen Museen gefundenen Birkenrindenbehälter sind so unterschiedlich gearbeitet, dass mehrere Produktionsstätten angenommen werden dürfen, die von den russischen Orten Weliki Ustjug und Archangelsk bis nach Sibirien reichen dürften. Für letzteres spricht auch die in Westfriesland, Groningen und einer –leider ungenannten – nordfriesischen Hallig überlieferte Bezeichnung für die Birkenrindenbehälter: Tujas oder Tujes. Dieser Name ist in Sibirien gebräuchlich, während in Russland der Begriff „burak“ verbreitet ist. Allerdings ist eine Herkunft aus der schwedischen Provinz Uppland ebenfalls nicht ganz ausgeschlossen.
Literatur:
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1981 The Russian Market in World Trade, 1500 – 1860. In: Scandinavian Economic History Review, Vol. 29,3 (1981): S. 177-202. Abgerufen als pdf: https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/03585522.1981.10407958
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Henningsen, Henning
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Nemnich, Philipp Andreas
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https://www.schell-collection.com/objekt-des-monats/objekt-des-monats-september-2017/
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https://friesscheepvaartmuseum.nl/beeld/fsm-col1-dat1000000177
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http://resources.huygens.knaw.nl/archangel/app/inleiding?language_of_user=en
http://www.ferring-stiftung.net/friesische-identitaet/seefahrt/
https://en.wikipedia.org/wiki/Veliky_Ustyug
https://en.wikipedia.org/wiki/Baltic_maritime_trade_(c._1400–1800)#The_Dutch_in_the_Baltic
https://www.maritiemdigitaal.nl/index.cfm?event=search.getdetail&id=109006013
(Webseiten zuletzt abgerufen am: 30.1.2019)
Husum, Schleswig: Glimmerbilder, „Reispapierbilder“; Friedrichsruh: Stereoskopie
Schwarzweiß verdrängt Farbe
Lange bevor die Fotografie erschwinglich wurde, dienten Zeichnungen, Drucke und bunte Bilder jeglicher Art in Europa unter anderem auch dazu, eine bildliche Vorstellung, wenn auch oft idealisiert, von fernen Ländern und ihren Bewohnern zu vermitteln. Chinesisches Porzellan begeisterte, als es von den Niederländern zu Beginn des 17. Jahrhunderts vermehrt nach Europa gebracht wurde, nicht nur wegen seines Materials. Schalen und Vasen „wel geschildert met Chineese personaiges“, „schön bemalt mit chinesischen Personen“, verkauften sich besonders gut. Aber auch in China oder Japan für den heimischen Markt gefertigte, illustrierte Bücher oder farbige Holzschnitte wurden von den Seefahrern mit nach Hause gebracht. Der für die Englische Ostindien Kompagnie tätige John Saris musste zur Wahrung des Ansehens seines Arbeitgebers 1614 allerdings seine japanischen Holzschnitte öffentlich verbrennen, sie enthielten für den Zeitgeschmack zu anstößige erotische Motive.
Um dem Bedürfnis der Europäer nach einer trag- und nach Hause bringbaren visuellen Dokumentation von Land und Leuten nachzukommen, entstanden zum Beispiel in Indien und China neue Kunstzweige, die ausschließlich Werke für die Europäer produzierten: Die so genannten „Kampani kalam“ („Company paintings“) in Indien und die sogenannten „Reispapier“-Bilder in China.
In Indien waren die Bilder der indigenen Künstler im 18. Jahrhundert zunächst Auftragsarbeiten für die Europäer (vor allem Engländer und Dänen), die sich als Angehörige von Handelsposten, Missionsstationen, Kolonialverwaltung und Militär im Lande aufhielten. Fast parallel dazu entstanden, gefördert von lokalen Herrschern, die den großen Bedarf nach Bildern erkannten, mehrere Produktionszentren, in denen die jeweils regional unterschiedlichen Sitten und Gebräuche, aber auch Architektur und Natur des Subkontinents zu Papier gebracht wurden. Was sich hier so einfach liest, hat nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung, sondern auch eine politische Dimension: Die oft von den Briten eingesetzten lokalen Herrscher nahmen mit dem oft standardisierten Bildprogramm die Repräsentation „Indiens“ selbst in die Hand. Sie bestimmten das Bild von Indien, das man nach Europa brachte, mit.
Zu einem ganz besonderen Verkaufsschlager entwickelten sich die Malereien auf feinen, durchsichtigen und höchst zerbrechlichen Glimmerscheiben, die zumeist in kleinen Packungen zu erstehen waren.
In der chinesischen Handelsstadt Guangzhou (Kanton), bis 1847 der einzige Außenhandelshafen Chinas, und nach der erzwungenen Öffnung Chinas auch in Shanghai und anderen Orten, wurde ebenfalls eine ausschließlich für den Verkauf an Europäer bestimmte Malereiform praktiziert: die Malerei auf Papier aus dem Mark der Tsuso-Aralie, fälschlicherweise auch „Reispapier“ genannt. Auch hierbei handelt es sich um Bilder auf einem höchst zerbrechlichen Untergrund, auch sie geben „Land und Leute“ wieder. Wie die indischen Exportmalereien sind sie in der Regel nicht signiert, allerdings findet sich auf einigen von ihnen der Stempel des Hersteller- oder Verkaufsstudios. „Dem westlichen Geschmack in Farbigkeit und Thematik angepasst“, wie die Sinologin S. Knödel schreibt, und von der damaligen chinesischen Elite als „geschmacklos, bestenfalls aus ‚massentauglich‘“ angesehen, wurden die Bilder in Alben oder in Schmuckschachteln verkauft. Vielfach gaben die Maler Szenen oder Personen wieder, die sie nur von einer Vorlage her kannten, aber sie prägten damit entscheidend das Bild der Europäer von China und seiner Bevölkerung mit.
Mit dem massenhaften Aufkommen der Schwarzweiß-Fotografie endete Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts die Nachfrage nach diesen bunten Bildern. Europäische, nordamerikanische, russische, aber auch japanische Fotografen bestimmten in der Folgezeit die visuelle Repräsentation des Chinabildes in Europa/Amerika. Hier ein Beispiel aus dem Jahre 1914.
Literatur:
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2017 Alt, aber aktuell: Eine neu entdeckte Hoppesteijn-Fayence aus dem Delft des 17. Jahrhunderts im Husumer Nordfriesland Museum. In: Nordelbingen 86 (2017): Seite 45-64.
Knödel, Susanne
2018 A 293. Album mit Bildern auf Tsuso-Mark: Hochzeitszug. In: Kokott, Jeanette und Fumi Takayanagi (Hrsg.), Erste Dinge. Rückblick für Ausblick. Hamburg. MARKK. Seite 71-80.
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http://www.vam.ac.uk/content/articles/i/indian-company-paintings/
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https://de.wikipedia.org/wiki/Muskovit
https://www.mfah.org/art/detail/76348?returnUrl=%2Fart%2Fsearch%3Fshow%3D50%26artist%3DPublished%2Bby%2BCommunist%2BWorkers%2BParty%2Bof%2BGermany%257CManufactured%2Bby%2BKeystone%2BView%2BCompany%26page%3D4
Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf
Der Schwiegermutter einen Korb geben: Die Sprache der Körbe bei den Harari
Der vorgestellte Korb stammt von den in der äthiopischen Stadt Harar lebenden Harari. Die Stadt selbst liegt 525km östlich der Hauptstadt Addis Abeba und ist nicht nur eine der ältesten muslimischen Städte in Ostafrika, sondern war bis 1875 für mehr als 200 Jahre ein unabhängiger Stadtstaat und ein wichtiges innerafrikanisches Handelszentrum, das Europäern nicht zugänglich war. 1887 wurde Harar 1887 gewaltsam Teil des äthiopischen Königreiches. Die historische, von einer Mauer aus dem 16. Jahrhundert umgebene, 48 Hektar große Innenstadt (zum Vergleich: die Lübecker Innenstadtinsel misst 100 Hektar) ist seit 2006 UNESCO-Weltkulturerbe und wird von etwa 21.000 Personen bewohnt, die unterschiedlichen Ethnien angehören: Harari, Oromo, Gurage, Amhara und Somali. Den Harari gilt die Stadt, „ge“, als ihre traditionelle Heimat, in der sich ganz eigene kulturelle Traditionen entwickelten, die „ge ada“, die „Gebräuche der Stadt“. Die von den Frauen gefertigten „ge mot“, die „Körbe der Stadt“, sind neben den Silberschmiedearbeiten eines der wichtigsten – und berühmtesten – materiellen Kulturgüter dieser Stadt.
Bei Herstellung der Körbe, die in einer Art Wulsttechnik aufgebaut werden, kommen traditionell drei verschiedene Gräser zum Einsatz, die je nach ihrer Qualität unterschiedlich verwendet werden: als haltgebendes inneres Material, als Material, mit dem die Wülste fest zur jeweiligen Korbform vernäht werden oder als Material, mit dem die Wülste in komplizierten mehrfarbigen Mustern umschlungen werden. Es sind etwa 30 verschiedene Korbtypen bekannt, die von den Harari-Frauen hergestellt wurden. Davon war bei einer ethnologischen Untersuchung im Jahr 2003 etwa ein Drittel nur noch selten in Gebrauch oder als altes Exemplar in Privathäusern oder im Museum des Harari Cultural Center (Ada Gar) zu sehen. Um diesem Verfall zu begegnen haben engagierte Frauen ab 1995 drei Kooperativen (Guild) gegründet. Auch haben sich die Frauen neue Materialien wie Samt, Perlen oder Kunststoff erschlossen und neue Korbformen sind entstanden.
Die Herstellung und der Verkauf dieser und anderer Körbe, der in kleinen Läden oder Privathäuser und ausschließlich innerhalb der Stadt stattfindet, sichert den Frauen darüber hinaus ein nicht unerhebliches finanzielles Einkommen. Der hier vorgestellte Korb wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Sammlerin, die zwischen 1958 und 1998 in Äthiopien arbeitete und bis zu ihrem 90. Geburtstag das Land immer wieder besuchte, in einem dieser Geschäfte erstanden.
Die traditionellen Körbe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Verwendung als alltäglicher Gebrauchsgegenstand oder als primär dekorativ bzw. zeremoniell genutzter Korb. Zu letzteren gehört auch der „hamat mot“, der „Schwiegermutter Korb“. Traditionell wird von einer jungverheirateten Frau erwartet, dass sie am Ende des ersten Ehejahres zwei dieser Körbe, die mit einem komplizierten Muster versehen sind, ihrer Schwiegermutter schenkt. Diesem Brauch wird auch heute noch nachgekommen, allerdings nehmen die jungen und einem Beruf nachgehenden Frauen in diesem Punkt bereits seit den 1970er Jahren das Angebot professioneller Korbherstellerinnen wahr oder lassen diese Körbe von Frauen aus ihrer Familie fertigen. Die Schwiegermutter hängt diese Körbe ihrerseits an eine speziell dafür vorgesehene Wand in ihrem Haus (siehe Hecht 1992:21). Hier hängen noch weitere Körbe, ihre Hängung folgt einem festgelegten Muster. Im Falle des Schwiegermutterkorbes kann ein kundiger Besucher nun mit einem Blick erkennen, ob und wie viele erwachsene Söhne und Schwiegertöchter die Frau des Hauses hat. Die Körbe hängen aber nicht nur an der Wand, sie werden bei speziellen rituellen Anlässen auch zum Servieren von Fladenbrot benutzt und kommen so als wortloses Zeugnis des guten Verhältnisses zwischen Schwiegermutter und -tochter zum Einsatz.
Literatur:
Asante Tarsitani, Belle
2005 Women’s craft Guilds and the traditional basketry (e mot) of Harar, Ethiopia. In: African Study Monographs, Suppl. 29: Seite 61-72.
2009 Revered Vessels. Custom and Innovation in Harari Basketry. In: African Arts, Spring 2009: Seite 64-75.
Hecht, Elisabeth-Dorothea
1992 Basketwork of Harar. In: African Study Monographs, Suppl. 18: Seite 1-39. Abgerufen als pdf: http://www.africa.kyoto-u.ac.jp/kiroku/asm_suppl/abstracts/pdf/Sup.18/S.18%81@Hecht.pdf
Zekaria, Ahmed
1999 Harari Basketry through the Eyes of Amina Ismael Sherif. In: Silverman, Raymond A. (Hg.) Ethiopia: Traditions of Creativity. Seattle. Seite 47-63.
https://nidfetibeb.wordpress.com/
https://www.thenextcanvas.com/about-ethiopian-art/
https://de.wikipedia.org/wiki/Harar
http://whc.unesco.org/en/list/1189
https://de.wikipedia.org/wiki/Lübecker_Altstadt
http://hararigcao.com/index.php/museums-2
Nordfriesland Museum. Nissenhaus Husum
Inventarnummer K 4712
Ein Nähkästchen plaudert: „Der einzig theuren gewidmet von ihrem unvergesslichen“
So steht es in feinen, goldenen Buchstaben auf der Innenseite des Deckels eines hohen, vierfüßigen und schwarzlackierten Nähtischchens zu lesen, das als Schenkung der Fielmann Stiftung in Husum aufbewahrt wird. Weiter ist zu lesen: „Japan 27. Novbr 1820“ sowie in etwas größerer Schrift: „Sievert“.
Damit ist Sievert Levsen gemeint, oder Sievert Lieves, wie er in niederländischen Akten geführt wird. Der 17 87 geborene Föhrer gilt als einer der ersten Japanfahrer seiner Region und betrat fast 175 Jahre nach dem ersten Schleswig-Holsteiner in Japan, nämlich Jürgen Andersen aus „Tundern“, japanischen Boden.
Zurück in Europa schrieb er einen Bericht über seine Reise und seinen Aufenthalt in Japan, aus dem im Folgenden zitiert wird. Dieser 1824 posthum veröffentlichte Bericht ist einer der wenigen Augenzeugenberichte, die vor der erzwungenen Öffnung Japans durch die Amerikaner im Jahre 1854 Europa mit Informationen über Japan versorgt haben.
Am 26. Juni 1819 verließ er als Kapitän der fast 35m langen Fregatte „Fortitudo“ den Hafen der belgischen Stadt Oostende in Richtung Batavia (Jakarta). Das Schiff transportierte nicht weiter genannte Waren und Soldaten. Nachdem das Schiff am 17.9.1819 auf hoher See eines der Steuerruder verloren hatten und die provisorischen Notruder nicht wirkungsvoll waren, liefen man nach sechs Wochen unter „Einschränkung der Ranzionen und Provisionen, so daß z.B. von Wasser einem Jeden nur ¾ Bouteille pro Tag zu Theil ward“„glücklich“ in Port Louis (Mauritius) ein. Sie reparierten das Schiff, verloren einen Matrosen an die dort grassierende Cholera und setzten ihre Fahrt am 8.1.1820 nach Batavia fort, wo Schiff und Mannschaft Mitte Februar ankamen. In den folgenden Monaten unternahm man „für Rechnung des Holländischen Gouvernements“ Fahrten entlang der javanischen Küste und bewarb sich „um die jährlich von den Holländern nach Japan zu machende Reise.“ Nach einer kritischen Inspektion wurde die Fortitudo zusammen mit dem Schiff „De nieuwe Zeelust“ „für gut befunden“. Ihr Weg nach Japan führte sie durch die Straße von Bangka und die von Taiwan. Sobald sie der japanischen Küste ansichtig wurden (22.7.1820), hissten sie am Top des Vormastes eine „geheime Signalflagge“, die ihnen der Gouverneur von Batavia in einem Kästchen mitgegeben hatte. Nach einem genauen Zeremoniell mit entsprechender Anzahl an Kanonenschüssen und nachdem gemäß der Instruktion aus Batavia „alle an Bord des Schiffes befindliche[n] Bücher religiösen Inhalts und andre Ornamente durch den Obersteuermann […] in ein Fäßchen gesperrt, und gut versiegelt“ [waren], wurden die weiterhin mit Kanonenschüssen grüßenden Schiffe von kleinen „Bugsirboten“ in und durch die Bucht von Nagasaki gelotst, wo sie am 24.7. ankerten. Etwa eine Stunde später übergab man den an Bord gekommenen Japanern das gesamte Pulver, die Munition, Gewehre, Pistolen und Säbel sowie das „Fäßchen mit religiösen Büchern“. Solange die Schiffe vor Nagasaki lagen, wurde die Mannschaft zweimal täglich von den Japanern kontrolliert und der holländische Vertreter von Nagasaki, der „Opperhoofd J.C. Blomhoff“, erschien in Begleitung des 1. Sekretärs des „Japanischen Gouvernements“ an Bord, um die Regeln vorlesen zu lassen, die anschließend in Form von Plakaten am großen Mast befestigt wurden. Auch wurden von den Japanern über Nacht die kleineren an Bord befindlichen Boote eingeholt, solange sich die Schiffe vor Nagasaki befanden. Erst Mitte Oktober begab sich das größtenteils mit Kupfer beladene Schiff zu seinem zweiten Ankerplatz und wartete auf die Abfahrt, die ihnen am 10. Dezember gewährt wurde.
Kurz zuvor hatte Sievert Levsen das Nähtischchen erstanden und nach seiner Vorlage mit Goldlack beschriften lassen. Das Nähtischchen mit seinem herabhängenden Tuchsack und dem ausklappbaren Nadelkissen wurde in aufwendiger Arbeit und ausschließlich als Souvenir gefertigt. Dabei vereinigen sich traditionelle ostasiatische Lacktechniken mit europäischen Formen und Mustern. Bei der Herstellung wurde die aus Papiermache und Holz bestehende Grundform nicht nur mit zahlreichen, einzeln aufgetragenen Schichten des mit Ruß geschwärzten, eingekochten Saftes des Lackbaumes bestrichen, sondern es wurden auch akkurat zugeschnittene Perlmuttstücke in den Lack eingelassen. Sie zeigen vor allem an den Seiten und unter dem Klappdeckel ein buntes Blumenmuster, während das zentrale Motiv auf der Deckelvorderseite ganz in Weiß und Gold gehalten ist. Es zeigt zwei möglicherweise sinkende oder vom Eis eingeschlossene europäische Segelschiffe.* Folgt man den Angaben des Staatlichen Museums für Japanische Geschichte, so führten die Lackwarenproduzenten aus dem chinesischen Canton (Guangzhou) und dem japanischen Nagasaki einen erbitterten Kampf um die europäischen Kunden, da die Chinesen preiswertere Waren im japanischen Stil anboten. Diese Konkurrenz führte dazu, dass sich die Japaner die ursprünglich aus China stammende Technik der Perlmutteinlage aneigneten. Sie wurde vor allem in Nagasaki angewandt, der einzigen Stadt Japans, die in der Shogun-Zeit Kontakt mit Europäern (=Niederländern) hatte, die ausschließlich auf der kleinen, künstlich vor Nagasaki errichteten Insel Dejima lebten.
Von Juni bis September 1821 unternimmt Levsen noch eine zweite Fahrt nach Japan. Diesmal hat er zwei Kamele, Geschenke des Holländischen Gouvernements an den „Kaiser von Japan“, den Shogun Tokugawa Iehari (1773-1841), an Bord.
Levsen stirbt im Herbst 1823 in Wyk infolge einer „durch Strapazen, Clima und Verdruß sich zugezogenen Krankheit“. Ein Bild von ihm und seiner Frau wird im Dr. Carl-Haeberlin Fresen Museum auf Föhr aufbewahrt und ist unter folgendem Link ansehbar:http://www.museen-nord.de/Objekt/DE-MUS-150714/lido/831.
*Leider war bis jetzt nicht Genaues zu den Schiffen herauszufinden. Schiffsdarstellungen auf Lack im Amsterdamer Reichsmuseum zeigen Seegefechte zwischen niederländischen und englischen Schiffen.
Literatur:
Guthrie, William
1843 A Geographical, Historical, an Commercial Grammar, En Miniature: Exhibiting the Present State of the World. London.
Impey, Oliver und Christiaan Jörg
2005 Japanese Export Lacquer 1580-1850. Amsterdam.
Jörg, Christiaano.J. Japanese Export Lacquer fort he Dutch Market. Abgerufen als pdf: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/icomoshefte/article/viewFile/21334/15107
Levsen, Sievert
1824 Einige Nachrichten von einer vierjährigen, mit dem Schiffe Fortitudo unter Commando des Schiffscapitains Sievert Levsen von Wyck auf der Insel Föhr gemachten Ostindischen und Japanischen Reise, insonderheit in Beziehung auf Japan. In: Staatsbürgerliches Magazin mit besonderer Rücksicht auf die Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Band 4, Heft 3/4. Schleswig. S. 493-508.
Lübker, Detlef L. und Hans Schröder
1829 Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller, von 1796 bis 1828. Altona. S. 345. Abgerufen als Digitalisat: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10070518_00373.html(15.1.2019).
Zacchi, Uwe
1986 Menschen von Föhr. Lebenswege aus drei Jahrhunderten. Heide. Seite: 20-25
https://www.mfa.org/collections/object/papenberg-no-12486-from-an-unidentified-series-of-japan-429080 (Postkarte von Papenberg)
http://www.marhisdata.nl/schip&id=13162(Schiffsdaten Fortitudo)
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f5/Dutch_personnel_and_Japanese_women_watching_an_incoming_towed_Dutch_sailing_ship_at_Dejima_by_Kawahara_Keiga.jpg
https://nl.wikipedia.org/wiki/Jan_Cock_Blomhoff
https://en.wikipedia.org/wiki/Jan_Cock_Blomhoff#/media/File:Jan_Cock_Blomhoff_1.jpg(Japanischer Druck von Blomhoff 1817)
https://www.uchiyama.nl/ngjaartallen1nav.htm
https://en.wikipedia.org/wiki/VOC_Opperhoofden_in_Japan
https://wiki.samurai-archives.com/index.php?title=Camels
japanische Darstellungen der Kamele http://www.iisg.nl/exhibitions/japaneseprints/08.html
https://www.rekihaku.ac.jp/research/list/joint/2010/siebold/img/oc20150331/en/019.pdf
http://ajspeelman.com/details.php?sid=252
Gemälde Hafen Nagasaki u.a. mit der Darstellung einer Schiffeinfahrt, wie von Levsen geschildert:
https://www.rijksmuseum.nl/en/collection/NG-1190
https://www.rekihaku.ac.jp/english/outline/publication/rekihaku/165/witness.html
https://en.wikipedia.org/wiki/Dejima
http://www.asianart.org/regular/conservation-of-mother-of-pearl-lacquerware
der erste Schleswig-Holsteiner in Japan:
http://wolfgangmichel.web.fc2.com/publ/misc/1985/198501andersen.html
(alle Webseiten zuletzt abgerufen am 27.1.2019)
Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde
Inventarnummern: MA.24, MA.33, MA.34, MA.35
Ein Mann mit Blick für’s Detail auf der Suche nach „Ursprünglichkeit“
Ende des 19. Jahrhunderts, so schreibt der Kunsthistoriker Colin Rhodes, konnte man in Europa die Tendenz beobachten, dass sich progressive Künstler und Schriftsteller zunehmend für die heimische bäuerliche Kultur und Volkskunst, aber auch für mittelalterliche Kunst interessierten. Sie suchten nach „naiver Einfachheit“ einerseits und andererseits nach einer Zeit und einem Ort, von der/ von dem sie glaubten, dass es noch keine Unterscheidung zwischen „hoher und niedriger Kunst“ gab. Eine erste Station ihrer Suche war die Rückbesinnung auf „das Land“. Den französischen Maler Paul Gauguin zog es beispielsweise in die Bretagne: „Ich liebe die Bretagne,“ schrieb er 1888, „hier finde ich eine wilde, primitive Qualität.“ Der schottische Maler Duncan Grant zog zusammen mit der Malerin Vanessa Bell nach Sussex, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky suchten das „gute und einfache Leben“ im bayerischen Murnau. Das Verlangen nach vermeintlich unentfremdeten Lebenszusammenhängen wuchs, der „Kult der ‚Ursprünglichkeit‘“ erblühte. Allein in Deutschland gab es 18 ländliche Künstlerkolonien, die bekanntesten sind zweifelsohne die in Worpswede, Ahrenshoop und Dachau. Aber auch Skagen (Dänemark) und Abramtsevo nördlich von Moskau (Russland) sind hier zu nennen. Erst später wandten sich die Künstler außereuropäischen Kulturen zu.
Auch der 1867 im Ortsteil Nolde des jetzt dänischen Kirchspiels Burkal geborene Emil Hansen, der sich ab 1902 Emil Nolde nannte und einer lutherischen Bauernfamilie entstammte, war auf der Suche nach dem „Ursprünglichen“. Wie andere Expressionisten auch suchte Nolde in den Werken und Kultgegenständen indigener Völker nach einer „unverfälschten Formensprache“. Er versuchte mit der reduzierten Form den intensivsten Ausdruck von Kraft und Leben zu finden. Dieses Streben nach dem Unmittelbaren, nach der „absoluten Ursprünglichkeit“ war für ihn generell ein wichtiges Element seiner künstlerischen Entwicklung und Bildfindung.
Bei einem Besuch der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 kam Nolde erstmalig mit außereuropäischer Kunst in direkten Kontakt. Zehn Jahre später vertiefte er diesen und setzte sich in seinen Zeichnungen von Museumsgegenständen ausgiebig mit afrikanischen, altamerikanischen, altägyptischen sowie ozeanischen und ostasiatischen Gegenständen auseinander.
Doch Nolde ging nicht nur in die Museen, er legte, ähnlich wie einige seiner Malerkollegen und -kolleginnen, selber eine Sammlung von Gegenständen an, die er in vielen seiner Stillleben verewigte. Diese Objekte stammen aus den verschiedensten Teilen der Welt (Afrika, Amerika, Ostasien, Südostasien, Melanesien, Polynesien) und gehen nur zum Teil auf seine eigenen Reisen zurück. Es sind aber auch europäische mittelalterliche Skulpturen und Schnitzereien europäischer Volkskunst darunter.
Jedes Stück dieser umfangreichen und relativ wenig bekannten Sammlung zeichnet sich durch etwas Besonderes aus, das dem künstlerischen Blick Noldes auffiel. In ihrer Gesamtheit und ihrer besonderen Zusammenstellung, die sich allein aus dem Blick des Künstlers erschließt, ist die Sammlung mehr als eine bloße Ansammlung „exotischer Gegenstände“ und „Kuriositäten“. Vielmehr gilt es, die vielfältigen Spielformen und Ebenen der in ihr enthaltenen „Exotik“ zu erkennen. So dürften z. B. die Objekte katholischer Volksfrömmigkeit für den protestantisch geprägten Norddeutschen in ihrer Andersartigkeit und ihrer naiven Ursprünglichkeit einen besonderen Reiz gehabt haben.
Die abgebildeten Figuren zeichnen sich durch kleine Besonderheiten aus, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden und sicherlich bereits Nolde faszinierten: Die kleine Figur des Johannes des Täufers hat drei Arme, die auf der Weltkugel stehende Maria Immaculata tritt mit ihren Fuß nicht - wie sonst üblich - auf die Schlange, das Kleidungsstück der Rosenkranzmadonna ist mit nur einem Ärmel versehen und die letzte der vorgestellten Madonnen scheint Volkstracht zu tragen. Die „Schwarze Madonna“ von Altötting, einem bekannten bayerischen Wallfahrtsort, fällt durch ihre für Marienfiguren ungewöhnliche dunkle Hautfarbe auf.
Quellen
Becker, Astrid
2019 persönliche Kommunikation. Ihr gilt auch großer Dank für die kritische Überarbeitung des kunsthistorischen Teils.
Fournée, J.
2015 Immaculata Conceptio. In: Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg, Darmstadt. Bd. 2, S. 338-344.
Jüngling, Kirsten
2017 Emil Nolde. Die Farben sind meine Noten. Berlin.
Lechner, M.
2015 Maria, Marienbild. In: Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg, Darmstadt. Bd. 3,
S. 154-210.
Lloyd, Jill
2002 Emil Noldes Kritik am Kolonialismus. In: Moeller, Magdalena M. (Hrsg.), Emil Nolde. Expedition in die Südsee. München. Brücke-Archiv 20 (2002): 103-115.
Müller, Karsten (Hrsg.)
2012 Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole. Ausstellungs-Katalog Ernst-Barlach-Museum Hamburg.
Nolde, Emil
1934 Jahre der Kämpfe. 1902–1914, Berlin 1934, 2., überarb. Aufl. Flensburg 1958, 7. Aufl. Köln 2002.
1965 Welt und Heimat. Die Südseereise 1913 – 1918, geschrieben 1936. Köln.
Rhodes, Colin
1994 Primitivism and Modern Art. London.
Ring, Christian
2014 Emil Nolde. Die absolute Ursprünglichkeit. 58. Jahresausstellung, Ausst.-Kat. Nolde Stiftung Seebüll, Neukirchen.
Weis, E.
2015 Johannes der Täufer. In: Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg, Darmstadt. Bd. 7.,
S. 164-190.
https://de.wikipedia.org/wiki/Künstlerkolonie_Dachau
https://de.wikipedia.org/wiki/Bloomsbury_Group
http://www.abramtsevo.net/eng/guidway/aboutmuseum.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Künstlerkolonie
https://www.lenbachhaus.de/sammlung/der-blaue-reiter/muenter/
http://www.demetz-patrick.com/de/geschenke-zur-taufe-69/hl-johannes-der-taeufer-3713.html
https://www.hampel-auctions.com/a/Schnitzfigur-der-Schwarzen-Madonna-von-Altoetting.html?a=76&s=159&id=72296
(Alle zitierten Internetseiten wurden zuletzt abgerufen am 23.1.2019)
Fotos: Nolde Stiftung Seebüll/ Dirk Dunkelberg, Berlin
Pinneberg Museum
Inventarnummer o.Nr. 31a,b
Upcycling für Touristen
Der Begriff „Upcycling“, der 1994 von dem Ingenieur Reiner Pilz geprägt wurde und das Umwandeln von „Abfallprodukten oder (scheinbar) nutzlosen Stoffen in neuwertige Produkte“ bezeichnet, ist derzeit in aller Munde. So könnte man auch das Umwandeln eines abgeworfenen Rentiergeweihs zu einer Messerscheide als „Upcycling“ bezeichnen, auch wenn es vor knapp 100 Jahren stattfand .
Die Scheide und das dazu gehörige Messer stammen von dem skandinavischen Volk der Sami, damals nach unter der Bezeichnung „Lappen“ bekannt, und wurden von Johannes Görbing (1877 - 1946) von einer Nordlandfahrt mitgebacht, die er zusammen mit seiner Frau unternommen hatte. Das genaue Datum der Reise ist derzeit noch unbekannt, dürfte aber nach 1925, also nach dem Wiedereinsetzen der Skandinavien-Kreuzfahrten nach dem Ersten Weltkrieg und vermutlich vor Beginn des Zweiten Weltkrieges stattgefunden haben. Die Linie Hamburg-Süd z.B. bot „preiswerte“ und „volkstümliche“ Nordlandreisen entlang der norwegischen Küste an, bei denen auch die Stadt Tromsø angelaufen wurde. So genannte „Lappenlager“ in der Nähe Stadt waren beliebte Ausflugsziele: „Vormittags Sehenswürdigkeiten im Tromsoe, nachmittags Besuch des Lappenlagers in Tromsdal auf dem gegenüberliegenden Festlande“, schreibt der Schweizer Elias Haffterin seinen „Briefen aus dem Hohen Norden“ aus dem Jahre 1900, die er auf seiner Reise im Sommer 1899 an die Thurgauer Zeitung schickte. Er führt weiter aus: „Das von uns besuchte Lappenlager zählt circa 10 associierte Familien, zu welchen Rentierherden von insgesamt 3000 Stück gehören.“ Damit die Touristen allerdings die Rentiere zu Gesicht bekommen konnten, mussten sie erst zusammengetrieben werden. „So auch heute, wo die Touristenfirma Beyer durch eine Extraauslage von 50 Mark auf nachmittags 4 Uhr einige hundert Rentiere durch die lappischen Besitzer ins Lager schaffen ließ, um den auf jenen Zeitpunkt beorderten Passagieren der ‚Auguste Victoria‘ ein möglichst buntes und lebendiges Bild darbieten zu können.“ Und: „Wir näherten uns den kegelförmigen Stein- und Lehmhütten (Gammen genannt), aus welchen ein bläuliches Räuchlein zum Himmel stieg. Alsbald kamen ihre Insassen uns entgegengelaufen, die Hände voller Verkaufsgegenstände verschiedenster Art, aber alle vom Rentier stammend: Felle, Geweihe; Löffel, Messer, aus Knochen und Gehörn gearbeitet und mit naiver Kunst verziert, bunte Puppen aus Fellen und Läppchen [...].“
Bei dem besuchten Lager handelte es sich um eine temporäre Niederlassung von Teilen der nomadisch lebenden, schwedischen Könkämävuoma Sámi, die traditionell etwa ab Juni mit ihren Tieren hierher auf die Sommerweide kamen. Ab den 1870er Jahren wurde das Lager von den Tromsoern als Ausflugsziel entdeckt, 1879 vergab der Baedecker der Stadt Tromsø einen Stern aufgrund des benachbarten „Lappenlagers“, ab den 1880er Jahren bot das englische Reiseunternehmen Thomas Cook & Sohn organisierte Touren nach Tromsdal an. Sehr viel anders dürfte es bei der Nordlandreise von Johannes Görbing auch nicht zugegangen sein, auch wenn nicht ganz klar ist, von welchem Ort genau er das Messer mitbrachte, denn bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden weitere Sommerlager ‚modern‘, wie zum Beispiel das in im weiter nördlich gelegenen Lyngseidet. Auch heute noch werden Touristen ähnliche Touren angeboten, wie ein aktuelles Beispiel aus der Beschreibung eines Reiseveranstalters für Tromsø zeigt: „Interessieren Sie sich für das Leben der Samifamilien und deren Traditionen, haben Sie die Möglichkeit, einen Ausflug zu buchen (optional zubuchbar). Bei einem Lagerfeuer im Zelt, dem Lavvu, lauschen Sie den Geschichten der Familie und im Anschluss besuchen Sie deren Rentierherde. Die Rentiere sind sehr zahm und an Menschen gewöhnt.“
Zunehmend haben die Sami ihre „Vermarktung“ selbst in die Hand genommen und bieten in z.B. in Tromsø während der Wintersaison täglich ab 10 Uhr unterschiedliche Tagestouren an, die man vorab im Internet buchen kann.
Auch heute noch kann man Sami-Messer aus Rengeweih erwerben. Ein wichtiger Unterschied besteht allerdings in der Form der Scheiden, die heute mehr den traditionellen schlichten Formen ähneln, wie sie für den Eigengebrauch produziert wurden und werden, und nicht in einem vollständigen, dem täglichen Gebrauch eher abträglich sperrigen Geweih enden. Dies ist sicherlich auch auf das ab den 1970er und 1980er Jahren erstarkende Selbstbewusstsein der Sami und ihre „kulturelle Renaissance“ zurückzuführen. Die damals jungen Leute begannen u.a. „Sami duodji“, Sami Handwerk, Ästhetik und Design wiederzuentdecken und verlorengeglaubte Traditionen wiederzuerwecken.
Erstaunlich ist, dass obwohl es zu Görbings Zeiten vermutlich viele Messer dieser Art gegeben hat, anscheinend nur wenige davon in Museen gelangt sind.
Literatur:
Baglo, Cathrine
2015 Reconstruction as trope of cultural display. Rethinking the role of “living exhibitions”. In: Nordisk Museologi 2015, 2, Seite 49 – 68. Abgerufen als pdf:
https://munin.uit.no/bitstream/handle/10037/8604/article.pdf?sequence=5&isAllowed=y
Haffter, Elias
1900 Briefe aus dem Hohen Norden: eine Fahrt nach Spitzbergen mit dem HAPAG-Dampfer "Auguste Viktoria" im Juli 1899. Frauenfeld. Kapitel XI. Abgerufen unter: http://doctrinepublishing.com/showbook.php?file=67182-0000.txt(11.1.2019)
Spring, Ulrike
2016 Arctic and European In-Betweens: The Production of Tourist Spaces in Late Nineteenth Century North Norway. In: Hill, Kate (Hrsg.), Britain and the Narration of Travel in the Nineteenth Century. Texts, Images, Objects. London. Seite 13-36.
https://de.wikipedia.org/wiki/Upcycling
https://de.wikipedia.org/wiki/Ren
https://de.wikipedia.org/wiki/Samen_(Volk)
https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-06-27/reindeer-ignoring-borders-has-norway-locking-antlers-with-sweden
https://www.laits.utexas.edu/sami/diehtu/siida/herding/herding-sw.htm
http://reindeerherding.org/herders/sami-norway/
https://ww2.dsm.museum/Nordlandreise_info.pdf
https://tromsoarcticreindeer.com/
https://tromsoarcticreindeer.com/our-story/
https://tromsoarcticreindeer.com/tour-item/package-3/
http://www.inga-sami-siida.no/?utm_source=visitnorway.de&utm_medium=listing&utm_content=visit-website-link
http://sapmi.uit.no/sapmi/ExhibitionContainer.do?title=Introrom&category=Intro
https://de.wikipedia.org/wiki/Tromsø
http://www.reuber-norwegen.de/FramesTromsoe.html
https://www.ebay.ca/sch/i.html?_sacat=0&_nkw=sami+norway&_frs=1
https://nordicwannabe.com/2017/07/erfahrungen-aida-selection-reise-kreuzfahrt-norwegen/
https://www.holidaycheck.at/foren/kreuzfahrten-68/nordkap-ausflug-auf-eigene-faust--70081?page=3
https://www.nordlandreisen.com/aktuelle-angebote/
http://www.tgss.no/produkter/#samisk-hndverk
http://sameslojd.tictail.com/
https://wiki.aineetonkulttuuriperinto.fi/wiki/Sami_handicrafts_tradition
Sylter Heimatmuseum
Inventarnummer: 2015-166
Aus Näglein gesteckt – Eine Dose aus Gewürznelken
Den meisten ist das Wiegenlied „Guten Abend, Gute Nacht“ bekannt. Bei den vielbesungenen „Näglein“ in diesem Lied handelt es sich um die getrockneten Knospen des Gewürznelkenbaumes (Syzygium aromaticum). Nur wenigen dürfte geläufig sein, dass diese „Näglein“ nicht nur als Gewürze dienten, sondern dass daraus auch Kunstwerke geschaffen wurden, wie das folgende Beispiel aus dem Sylter Heimatmuseum zeigt.
Die Urheberrechte dieses Bildes liegen bei den Sölring Museen
Dicht an dicht wurden die frischen Knospen des Gewürznelkenbaumes auf schmale Palmblattspreiten (?) aufgezogen, die dickeren Köpfchen jeweils neben das schmalere Knospenende gelegt. So entstanden kleine, dichte „Stränge“, die anschließend mit Pflanzenfasern zu einer kleinen, 5 cm hohen und 15 cm langen, ovalen Deckeldose zusammengenäht wurden.
Die Dose verströmt immer noch einen Gewürznelkenduft. Sie wurde aller Wahrscheinlichkeit nach auf der indonesischen Insel Ambon gefertigt – und war ausschließlich für den Verkauf an die Europäer gedacht. Die 775 qkm große Insel in den Molukken (zum Vergleich: Schleswig-Holstein misst ca. 15.800 qkm groß) war bis zum 19. Jahrhundert weltweit dasZentrum für den Anbau von Gewürznelkenbäumen und Schauplatz zahlreicher blutiger Auseinandersetzungen zwischen indigenen Völkern auf der einen und den Kolonialmächten Portugal, Niederlande und Großbritannien und deren jeweiligen indigenen Verbündeten auf der anderen Seite. Ziel der Europäer war, das Monopol im Nelkenhandel zu erlangen, das ursprünglich beim Sultanat von Ternate lag, zu dem Ambon damals gehörte. Lange Zeit hatte die Niederländische Ostindien-Kompagnie dieses Monopol inne. Dies hatte sie u.a. dadurch erreicht, dass sie alle Gewürznelkenbäume außerhalb der Insel und dreier kleinerer Nachbarinseln fällen ließ. Außerdem verhängten die Niederländer die Todesstrafe für die Ausfuhr von Jungpflanzen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden jährlich bis zu 2 Millionen Pfund Gewürznelken exportiert. Die Kompagnie zahlte den Produzenten maximal 25 Cent pro Pfund und verkaufte die Nelken in Europa und Asien zu einem Preis von drei bis vier Gulden das Pfund. 1769/70, knapp 20 Jahre vor der Auflösung der Niederländischen Ostindien-Kompagnie, gelang es allerdings dem französischen Missionar und Gartenbaufachmann Pierre Poivre, fünf Jungpflanzen erfolgreich außer Landes zu schmuggeln. Eine davon überlebte – und dies ist unklar – auf Mauritius oder La Reunion, von wo aus ihre Nachkommen etwa um 1818 in Sansibar und vermutlich zwei Jahre später auf Madagaskar angepflanzt wurden. Aber auch heute noch ist Indonesien der Hauptexporteur von Gewürznelken.
Ebenfalls im 19. Jahrhundert begann man auf Ambon, verschiedenartige, kleinere oder größere Gebilde aus frischen Gewürznelken herzustellen: Es entstanden vollständige Kaffeeservice, Boote mit Besatzung, Hausmodelle, Schalen, Blumenkörbe, Tintengefäße, Stiftehalter, Vasen und Dosen von jeglicher Form. Dieses Kunsthandwerk wird auch heute noch betrieben. Und während die Produkte ursprünglich ausschließlich für den Verkauf an die Kolonialherren gedacht waren, zieren einige dieser Gegenstände heute die Haushalte in Ambon selbst oder sind im Museum Siwalima auf Ambon ausgestellt.
In Europa hat man mit den getrockneten und harten Nelken ebenfalls dreidimensionale Werke geschaffen. Besonders hervorzuheben ist hier die Tradition der Gewürzsträuße, die im Raum Salzburg noch heute gepflegt wird. Aber auch Kruzifixe aus Nelken sind entstanden.
Übrigens: im Haus der Natur in Cismar ist eine Holzkiste mit Geheimfach ausgestellt, die zum Transport von Gewürznelken aus Sansibar diente.
Literatur:
Knaap, Gerrit J.
1992 Crisis and failure: War and revolt in the Ambon Islands, 1636-1637. In: Cakalele, Vol. 3 (1992): 1-26. Abgerufen als pdf: https://scholarspace.manoa.hawaii.edu/bitstream/10125/4124/6/UHM.CSEAS.Cakalele.v3.Knaap.pdf
2003 Headhunting, carnage and armed peace in Amboina, 1500-1700. In.: JESHO 46,2 (2003): 165-192. Abgerufen als pdf: thedutchgoldenage.nl/onewebmedia/HEADHUNTING,%20CARNAGE%20AND%20ARMED%20PEACE%20IN%20AMBOINA,%201500-1700.pdf
Bandara, Sujeewa
2016 Writing memoirs in the mid-eighteenth century- A comparative study in Ambon and Sri Lanka. MA Thesis, University of Leiden. Abgerufen als pdf: https://openaccess.leidenuniv.nl/bitstream/handle/1887/44538/Sujeewa%20Bandara%20MA%20thesis.pdf?sequence=1
https://nl.wikipedia.org/wiki/Kruidnagel
https://global.rakuten.com/en/store/jita-collection/item/10000363/
https://www.zeit.de/kultur/musik/2009-12/wiegenlieder-folge-6
Kruzifix: https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/kunst-und-krempel/schatzkammer/religioese-volkskunst/kunst-krempel-salzburger-kreuz-102.html
http://www.blumenschloessl.com/gewuerzbinderei/
http://masterpieces.asemus.museum/stories/view.nhn?id=107&idx=11
https://de.wikipedia.org/wiki/Ambon_(Insel)
https://en.wikipedia.org/wiki/Spice_trade
https://en.wikipedia.org/wiki/Ambonese
https://en.wikipedia.org/wiki/Sultanate_of_Ternate
https://de.wikipedia.org/wiki/Ternate
https://en.wikipedia.org/wiki/Amboyna_massacre
https://www.vocsite.nl/geschiedenis/handelsposten/amboina.html
https://www.ako-spice.com/nelken-pierre-poivres-erbe/
https://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Poivre
http://www.voc-kenniscentrum.nl/prod-kruidnagelen.html
https://www.jstor.org/stable/4255387?seq=1#page_scan_tab_contents
https://www.indexbox.io/blog/which-country-produces-the-most-cloves-in-the-world/
https://www.abc.net.au/news/rural/2015-03-10/indonesias-growing-clove-empire/6042020
http://v2.garudamagazine.com/whatson.php?cat=travel&id=441
http://siwalima.cthai.net/cloves.html
Dat Ole Hus - Aukrug
Inventarnummer o.Nr. 3
Ein „Belgischer Brocken“
7 cm hoch, 4 cm breit und 3 cm tief ist der kleine, abgenutzte gelbliche Stein. Er liegt in einem Kasten, der am Unterende eines 86 cm langen und 11 cm breiten Brettes angebracht ist. Das Brett hat am Oberende ein Loch, an dem das Brett an einer Wand aufgehängt werden konnte, darunter ist es mit Leder bezogen. Der Kasten hat einen Schiebedeckel, der sich nach oben aufziehen lässt.
Dank des Hinweises eines engagierten Mitgliedes des Museumsvereines kann der äußerlich eher unscheinbare Stein nun als etwas Besonderes und in seiner Art weltweit Einzigartiges identifiziert werden: als „Coticule“, ein Gestein, das vor etwa 480 Millionen Jahren entstanden ist unddas augenscheinlich nur in den belgischen Ardennen um die Orte Vielsalm, Bihain und Lierneux vorkommt. Es hat einzigartige Eigenschaften im Hinblick auf das Schärfen von Eisen, die schon früh erkannt wurden. Aus dem Jahr 1530 sind Abgabezahlungen von Steinbrucharbeitern an die Grafen von Salm belegt (Goemaere, Declercq 2012: 122), 1625 wurden jährlich große Mengen der Steine auf die Messe in Frankfurt und in der Handelsstadt Venedig transportiert (Gaspar 1975: 3), augenscheinlich unter Beteiligung von armenischen Kaufleuten (Goemare, Declercq 2012: 122). 1770 ist der Stein bereits unter dem Namen „pierre à rasoir“, Schleifstein für Rasiermesser, bekannt und sechs Jahre später wird berichtet, dass er in allen Ländern Europas, in Asien und in den Kolonien in Amerika Verwendung fand (Gaspar 1975: 3,4). Die abgebaute Menge war dementsprechend groß: Ein Inventar aus dem Jahr 1862 gibt für den Haushalt des Jean-Nicolas Laplume aus Salm-Château 35.110 Steine, verpackt in Kisten oder Gebinden, an sowie weitere 9 Schütthaufen mit Steinen unbestimmter Anzahl (http://vielsalm.blogspot.com/2009/11/salmchateau.html). Insgesamt gab es in der Region um Vielsalm etwa 30 Abbaubetriebe, in denen der Stein zunächst oberirdisch, im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts dann unterirdisch in 150 bis 450 m langen und 60 bis 79 m tiefen, in den Stein gehauen Galerien gewonnen wurde (Devleeschouwer et al. 2006: 135, 139; Goemaere, Declercq 2012: 122).
Die derart gewonnenen Steine wurden in der Regel in größeren Blöcken geborgen und anschließend in aufwändiger Handarbeit in verschiedene Handelsformate gebracht, den „Rasierstein“ zum Beispiel oder den „Belgischen Brocken“, „bout belge“, die sich in Länge, Form und Qualität unterschieden. Die Steine wurden in verschiedenen rechteckigen Standardgrößen geliefert, je nach Größe zwischen 4 und 12 Daumen Länge. Damit konnte alles vom Skalpell bis zum großen Messer geschliffen werden. Die unregelmäßig geformte Variante wurde als „Belgischen Brocken“ verkauft.
Im Zuge der Industrialisierung veränderte sich auch die Produktion der Abziehsteine: Wurde der Stein zunächst in Familienbetrieben abgebaut und für den Verkauf bearbeitet, verdrängten später die größeren Werkstätten, in denen Frauen, Heranwachsende und Kinder arbeiteten, die kleineren Manufakturen. Vielfältige Formen der Lohn- und Heimarbeit entstanden. Später wurden die Arbeiterinnen und Arbeiter durch Maschinen ersetzt.
Mit Ende des Zweiten Weltkrieges brach die Käuferklientel weg, elektrische Rasierer, Einwegrasierer und andere, preiswertere Schleifsteine wie der Arkansasstein machten dem belgischen Stein Konkurrenz. 1980 endete der Abbau, 1983 wurde in einer alten Werkstatt das „Musée du coticule“ in Salm-Château eröffnet. Aber bereits zwei Jahre später wurde in einer Manufaktur in Lierneux der Betrieb wiederaufgenommen und bis heute werden dort „Belgische Brocken“ produziert, deren Qualität messerschärfende Männer in Internetforen begeistert.
Literatur:
Devleeschouwer, Xavier, Eric Goemaere und Cyril Mullard
2006 Les carrières souterrannes abandonnées d’ardoise et de coticule à vielsalm et Bertrix. In: Géologie de la France no.1-2 (2006) 135-146. Abgerufen als pdf:http://geolfrance.brgm.fr/sites/default/files/upload/documents/gf22-1-2006.pdf
Gaspar, Charles
1975 L’industrie de la pierre à rasoir dans la région de Sart-Lierneux. Extrait de Enquetes du Musée de la Vie Wallone, Tome XIV, No. 157-160. Abgerufen als pdf: http://www.coticule.be/heritage.html?file=tl_files/PDF%20articles/Coticule_Translated.pdf
Goemaere, Eric, Pierre-Yves Declercq
2012 Le „coticule“ de Vielsalms et Lierneux 8belgique): Une pierre à aiguiser au passé mondial. In: Anales de Societe Du Géologie du Nord, Tome 19 (2eme serie), Seite 117-131. Abgerufen als pdf: https://www.researchgate.net/profile/Alain_Blieck/publication/292952596_Regional_geosciences_of_France_and_neighboring_countries_-_GEOREG/links/56b1fb7508ae795dd5c7914f.pdf#page=111
Grogna, Joseph
1984 Les roches salmiennes a coticule dans la region des Salmchateau. Service geologique des belgique, Professional Paper 1984/2 No. 206. Angerufen als pdf:
http://biblio.naturalsciences.be/rbins-publications/professional-papers-of-the-geological-survey-of-belgium/pdfs/pp_1984_2_206-kl.pdf
http://museeducoticule.wixsite.com/musee-du-coticule
http://www.coticule.be/
http://vielsalm.blogspot.com/2009/11/salmchateau.html
http://walloniebelgietoerisme.be/nl/produit/attractions/activites/industrieel-erfgoed/museum-van-de-coticula/10895
https://www.ardennes-coticule.be/en/companys-history
https://www.researchgate.net/publication/267850383_Management_of_abandoned_slate_and_coticule_underground_quarries_by_means_of_GIS_Vielsalm_Belgium
https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=121&url_tabelle=tab_websegmente
https://www.geosoc.fr/vmfiles/GEOL154.pdf
https://link.springer.com/article/10.1007/BF00399600
https://de.wikipedia.org/wiki/Ordovizium
https://fr.wikipedia.org/wiki/Maison_de_Salm
https://www.messerforum.net/showthread.php?130883-Mittelfein-bis-finish-Belgische-Brocken-oder-synthetische-Steine
https://www.gut-rasiert.de/forum/index.php?topic=19244.0
https://de.wikipedia.org/wiki/Novaculit
Fotos historischer Galerien: http://tchorski.morkitu.org/1/coticule.htm
Film: https://www.youtube.com/watch?v=wEcOauB-WZs(3:25 Minuten)
Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Universität, Inv.Nr.: 1987-002-279
„Doctor’s Lady“ – oder: Wie man mit dem richtigen Namen bessere Geschäfte macht
In der Medizin- und Pharmaziehistorischen Sammlung der Christian- Albrechts-Universität zu Kiel befindet sich die kleine Elfenbeinfigur einer nackten Frau. Ihren Weg in die Sammlung fand die Figur als „Doctor’s Lady“. Dieser Begriff hat sich ebenso wie die Bezeichnung „chinese medicine doll“ im Kunsthandel etabliert.
Beide Namen bezeichnen eine kleine Figur einer nackten, wohl frisierten Frau, die im Kieler Fall auf der rechten Seite liegt und den Kopf mit der rechten Hand abstützt. Ihr linker Unterarm liegt unterhalb der Brüste; sie trägt Ohrringe und an jedem Handgelenk einen Armreif. Das linke Bein liegt über dem leicht angewinkelten rechten Bein. Sie trägt Schuhe; Haare und Augen sind schwarz. Die Figur liegt lose auf einem Ständer mit nach innen eingerollten Füßen. Dreht man die Figur auf den Bauch, so sieht man eine Frau im Rückenakt, sie hält ihre rechte Hand am Hinterkopf und hat den linken Unterschenkel beinahe neckisch erhoben.
Angeblich sollen Figuren dieser Art „im alten China“ dazu gedient haben, dass kranke Frauen den Ärzten die schmerzenden Stellen zeigen konnten, ohne sich entkleiden zu müssen. Dabei konnte die Erkrankte entweder eine derartige Figur dem Arzt per Boten zukommen lassen oder der Arzt führte eine entsprechende Figur mit sich, wie Howard Dittrick 1952 in seinem Aufsatz im Bulletin of the History of Medicine konstatiert. Als Informantin für diese Aussage führt er eine namenlose chinesische Krankenschwester an. Ferner zitiert er in seinem kurzen Aufsatz kanadische und englische Sinologen, die seine These bestätigen. Lediglich der einzige chinesischstämmige Experte unter ihnen widerspricht: Derartige Figuren seien nach dem 17. Jahrhundert entstanden um dem Geschmack der Europäer entgegenzukommen, „to suit the taste of Western customers“. Dieser Gedanke ist es wert weiter verfolgt zu werden.
Viele ähnliche Figuren, die im Handel oder in Sammlungen vorhandenen sind, wurden zwischen dem 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts hergestellt. Ältere Figuren scheinen dagegen relativ selten zu sein. Eine davon ist im Beitrag von Kristin Beattie abgebildet. Figur 3 ihres Aufsatzes zeigt eine gegen Ende der Ming-Dynastie (1368-1644) gefertigte Elfenbeinfigur, die auf erstaunliche Weise der Kieler Frauenfigur ähnelt. Allerdings ist die Frau bekleidet. Sieht man genauer hin, merkt man, dass ihr Obergewand über der Brust leicht geöffnet ist, so dass die linke Brustwarze frei liegt. Die Figur trägt eindeutig erotische Züge. Allem Anschein nach lebte ein Teil der chinesischen Gesellschaft im 17. Jahrhundert eine offenere Erotik als es damals in Europa üblich war, wie z. B. den freizügigen Illustrationen des erotischen Werkes „Jin Ping Mei“ zu entnehmen ist. Derartige Darstellungen scheinen die Europäer fasziniert zu haben und wir wissen, dass sie schon frühzeitig erotische Abbildungen mit nach Hause brachten.
Doch betrachten wir die Kieler Figur noch einmal genauer: Die Frau trägt, wie die anderen „Doctor’s Ladies“, Schuhe und Schmuck. Die im Vergleich zum Körper sehr kleinen Schuhe/Füße lassen darauf schließen, dass hier eine Han-Chinesin mit so genannten Lotos- oder Lilienfüßen dargestellt ist. Kleine Frauenfüße waren bei den Han ein Schönheitsideal und galten als erotisch. Das Füßebinden war eine langwierige und schmerzhafte Prozedur. Es beinhaltete eine Deformation der Füße, bei dem die Zehen unter den Ballen gebogen wurden und der Mittelfuß so hochgekrümmt wurde, dass der Fußballen an der Ferse zu liegen kam. Als Folge davon konnten die betroffenen Frauen, die zumeist der Oberschicht angehörten, sich nur noch unter großen Schmerzen und in kleinen trippelnden Schritten fortbewegen. „Der kleinschrittige Gang […]wurde von chinesischen Dichtern und Poeten als erotisch beschrieben und die kleinen Füße häufig als der erotischste Teil des weiblichen Körpers wahrgenommen“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Füßebinden_(China)). Kristin Beattie zeigt in ihrem Aufsatz auch auf, dass im alten China das Bett eng mit der Sphäre der Frauen verbunden war und dass die Darstellung einer ruhenden Frau dem chinesischen Begriff von Weiblichkeit in der Oberschicht schlechthin entsprach - quasi analog zu der deutschen Zuschreibung der sozialen Frauenrolle zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit „Kinder, Küche, Kirche“. Die kleine Kieler Figur weist also außer ihrer Nacktheit auch noch andere Züge auf, die eindeutig erotischen Charakters sind.
Vergleicht man nun die Ming-Figur mit der aus Kiel, zeigt sich, dass die dargestellten Frauen im Laufe der mindestens 250 Jahre, die zwischen ihrer Herstellung liegen, nicht nur ihre Kleidung verloren haben. Ihre Darstellung hat sich auch von eher subtiler zu offener Erotik gewandelt. Dies kann damit zusammenhängen, dass die mingzeitliche Figur wohl eher für den chinesischen Eigenbedarf hergestellt wurde, während die Gestaltung der Kieler Figur mit der stärkeren Frequentierung chinesischer Häfen durch europäische Seeleute und ihrem Geschmack zusammenhängen könnte. Denn nach dem Ersten Opiumkrieg (1839-1842) hatten die Engländer fünf so genannte Vertragshäfen erzwungen. Die mit den Seeleuten nach Europa und Nordamerika gebrachten Figuren nackter Frauen gelangten nach und nach in Museen, Privatsammlungen und in den Kunsthandel. Und dort fanden sie unter der Bezeichnung „doctor’s lady“ sicherlich deutlich einfacher Platz und verkauften sich besser als unter dem Begriff „nackte Frauenfigur“. Dies ändert sich seit ein paar Jahren - auch hier sicherlich in Abhängigkeit von dem liberaleren Zeitgeist und der Seriosität des Handelshauses. Im Augenblick bestehen jedenfalls auffällige Diskrepanzen in der Benennung zwischen europäischen und eher prüden US-amerikanischen Händlern.
Literatur:
Beattie, Kristin, 2012, A Study of a Ming Dynasty Pillow; V & A Online Journal, Issue No. 4, Summer 2012; abgerufen unter: http://www.vam.ac.uk/content/journals/research-journal/issue-no.-4-summer-2012/a-study-of-a-ming-dynasty-ceramic-pillow/ (Figure 3) ; letzter Abruf 20.9.2018.
Bertholet, Ferry M., 2010, Concubines and Courtesans: Women in Chinese Erotic Art. Ferry M. Bertholet Collection. Brussels: Mercatorfonds, Seite 108-110.
Dittrick, Howard, 1952, Chinese Medicine Dolls. In: Bulletin oft he History of Medicine, vo. 26, Jan 1, Seite 422-429.
Harrison-Hall, Jessica, 2017, China. A History in Objects. London. Seite 285, 297, 315.
Kalka, Claudia und Uwe Haupenthal, 2017, Alt, aber aktuell: Eine neu entdeckte Hoppesteijn-Fayence aus dem Delft des 17. Jahrhunderts im Husumer Nordfriesland Museum. In: Nordelbingen, Band 86, Seite 54.
Unschuld, Paul U., 2013, Traditionelle Chinesische Medizin. München.
http://jamescahill.info/illustrated-writings/chinese-erotic-painting/chapter-5; letzter Aufruf 20.9.2018.
https://en.wikipedia.org/wiki/Jin_Ping_Mei; letzter Aufruf 20.9.2018.
https://www.mohma.org/instruments/category/misc_diagnostic/; letzter Abruf 20.9.2018.
https://de.wikipedia.org/wiki/Füßebinden_(China); letzter Abruf 20.9.2018.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kinder,_Küche,_Kirche; letzter Abruf 20.9.2018.
https://wellcomecollection.org/works?query=chinese+medicine+doll; letzter Abruf 20.9.2018.
https://www.zacke.at/de/sammlung/16827/auktion-kunst-aus-asien-2015/eintrag/16877/doctors-lady; letzter Abruf 20.9.2018.
https://en.wikipedia.org/wiki/Canton_System; letzter Abruf 20.9.2018.
https://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Opiumkrieg; letzter Aufruf 20.9.2018.
http://chineseart.co.uk/tag/chinese-doctors-model/; letzter Aufruf 20.9.2018.
http://www.benjanssens.com/portfolio/ivory-erotic-figure-of-a-lady/; letzter Aufruf 20.9.2018.
https://www.skinnerinc.com/search?s=Doll+Reclining; letzter Aufruf 20.9.2018.
Heimatmuseum Hohenweststedt (Inventarnummer AB 3049)
Ein ziemlich schräger Vogel
Ein wenig nach vorne geneigt, mit vorgestrecktem, leicht geöffnetem Schnabel und nach unten ausgebreiten Flügeln steht der Vogel auf seine Schwanzspitze und die leicht einwärts gekrümmten Füße gestützt. Er ist aus dem Horn eines Wasserbüffels gearbeitet, etwas mehr als 27 cm hoch und 18 cm breit und hat eingesetzte Augen aus Knochen und Holz. Das Horn ist so ausgewählt und bearbeitet worden, dass der gesamte Vogel eher bräunlich ist, die Schnabelspitze dagegen etwas heller. Die Flügel sind eingesetzt, der linke ist abgebrochen und fehlt. Auf Kopf, Rücken, Bauch, Flügeln und Schwanz ist der Vogel zusätzlich verziert. Feine Muster sind eingraviert, die nur zum Teil an Federn erinnern, wie zum Beispiel auf dem Kopf und an den Flügeln. Auf dem Rücken kreuzen sich zwei an den Flügelansätzen beginnende diagonal verlaufende Bänder mit einer Blüte über dem Kreuzungspunkt. Auf dem Bauch prangt eine diagonal karierte Krawatte, was nicht ohne Komik ist. Das Objekt stammt, wie Vergleichsbeispiele aus niederländischen Museen zeigen, aus Java. Es ist davon auszugehen, dass es als Souvenir gearbeitet wurde. Einfache aus Horn gearbeitet Vögel (ohne extra gearbeitete Flügel) gelangten bereits in der 1930er Jahren in die ethnologischen Museen der Niederlande. Vögel mit eingesteckten Flügeln wurden „vor 1964“ hergestellt und gesammelt. Diese Vögel weisen zwar ein ähnliches Diagonalmuster auf, allerdings scheint ihnen die Krawatte zu fehlen.
Die Krawatte kann auf vielerlei Arten gedeutet werden. Sie ist ein europäisches Kleidungsstück, das die niederländischen Kolonialherren getragen haben. Es bleibt zu erforschen, wer auf Java für das Tragen von Krawatten bekannt war, welcher Berufszweig, welcher indonesische Politiker, Schauspieler etc. Aus der Außensicht fallen einem - neben den Niederländern - die indonesischen Regierungschefs ein. Der erste Präsident, Sukarno, der ab 1945 regierte, herrschte ab 1959 zunehmend autoritär über Indonesien, während er gleichzeitig für die „die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und Emanzipation vom niederländischen Kolonialismus“ kämpfte (Frey 2002: 414). Der zweite, der Diktator General Suharto, gelangte 1966 nach einem Militärputsch und dem „Massaker in Indonesien 1965-66“ an die Macht. Wenn man davon ausgeht, dass der Tourismus in Zeiten des Bürgerkrieges stagnierte, wäre der Hornvogel mit seiner Krawatte vielleicht eine karrikaturhafte Form des Widerstandes/Protestes – gegen die (ehemaligen) Kolonialherren oder den zunehmend autoritären und korrupten Präsidenten und seine Minister oder einen Beamten.
Quellen:
Vergleichsobjekte: Tropenmuseum Amsterdam, Inv.Nr. TM-3404-23, TM-3404-24, TM-3404-25, TM-3404-25a
Frey, Marc, 2002, Drei Wege zur Unabhängigkeit. Die Dekolonialisierung in Indochina, Indonesien und Malaya nach 1945. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 50, Heft 3, S. 399-433 (abgerufen als pdf unter: https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2002_3_3_frey.pdf, 30.8.2018).
Indonesien / Sukarno. Nummer ab. Der Spiegel, Nr. 10 (1967) (abgerufen unter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46394457.html, 31.7.2018).
https://nl.wikipedia.org/wiki/Waterbuffel
https://www.bernerzeitung.ch/leben/style/vom-tuch-zum-schal-zur-krawatte/story/16261085
https://de.wikipedia.org/wiki/Krawatte
https://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/geschichte/vertiefung/entwicklung/dekolonisierung.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Sukarno
https://de.wikipedia.org/wiki/Suharto
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_in_Indonesien_1965–1966
https://www.deutschlandfunkkultur.de/indonesien-vor-50-jahren-als-general-suharto-die-macht-an.932.de.html?dram:article_id=348020
Otto-von-Bismarck-Stiftung Friedrichsruh (Inventarnummern F 2004/040, F 2004/042, Kassenbuch der Firma Jantzen und Thormählen)
Die schöne Welt der Lobbyisten? - drei Objekte aus Frierichsruh
Die Hamburger Traditionsfirma C. Woermann ist bis heute für ihre Beziehungen nach Afrika bekannt. Zumindest in Fachkreisen weiß man auch um ihre Bedeutung für die Errichtung des deutschen Kolonialreiches in Afrika. Angeblich hat die Firma Woermann Reichskanzler Bismarck, einen überzeugten Gegner von Kolonien, „umgedreht“. Davon findet man in Friedrichsruh nichts. Unerwartet stößt man aber auf eine andere Hamburger Firma, die in der Kolonialzeit ebenfalls eine wichtige Rolle spielte, zu der aber bislang kaum geforscht wurde. Soweit bekannt ist, gründeten Wilhelm Jantzen und Johann Thormählen 1874 in Hamburg die Handelsfirma Jantzen & Thormählen. Beide hatten zuvor bei der Firma C. Woermann gearbeitet, Jantzen in Liberia und Thormählen in Gabun. Innerhalb von kurzer Zeit avancierte ihre Firma zum Hauptkonkurrenten Woermanns und bestritt ein Viertel des Im- und Exports von Kamerun. Vermutlich importierten sie - wie die Hamburger Firma C. Woermann - u. a. Branntwein, Waffen und Schießpulver nach Kamerun und exportierten Elfenbein, Palmöl und Palmnüsse. Dennoch arbeiteten beide Firmen auch miteinander. „Anfang 1884 nehmen die Niederlassungsleiter von C. Woermann und Jantzen & Thormählen in Abstimmung mit Reichskanzler Bismarck Geheimverhandlungen mit King Bell und Dika Akwa auf, um diese dafür zu gewinnen, das Deutsche Reich als Schutzmacht zu berufen“ (http://www.aanderud-consulting.com/uploads/PDF/Woermann-Festschrift%202012-10.pdf, S. 32). Am 12.7.1884 unterzeichnen die Duala-Könige Ndumb´a Lobe (bzw. König Bell)und Akwa den „Schutzvertrag“: „wir treten mit dem heutigen Tage unsere Hoheitsrechte, die Gesetzgebung und Verwaltung unseres Landes vollständig ab an den Herren Eduard v. Schmidt für die Firma C. Woermann, und Herrn Johannes Voss für die Firma Jantzen & Thormählen, beide in Hamburg, welche seit vielen Jahren an diesem Flusse Handel treiben.“In der Folgezeit gründeten Jantzen & Thormählen eigene Plantagen. Ab 1885 ließen sie im heutigen Kamerun, Äquatorialguinea und Gabun Kakao und Kaffee anbauen, später auch Kautschuk, Tabak und Bananen. Allein am Kamerunberg „besaßen“ sie nach Enteignung und Vertreibung der Bewohner 90.000 Hektar Land.
Im Museum der Otto-von-Bismack Stiftung befinden sich 13 Fotos mit Verweis auf die Firma Jantzen & Thormählen sowie ein Kassenbuch ebendieser Firma. Die mit einem breiten weißen Rahmen versehenen Fotos weisen auf der Rückseite in der Regel zwei verschiedene Handschriften auf. Die obenstehende und in Tinte geschriebene Zeile erklärt das auf der Vorderseite Abgebildete, wie z.B. „Mein Wohnhaus in Eloby“ oder „Beach vor der Factory in Malimba“. Darunter befindet sich mit Bleistift ein erklärender Zusatz, der bei allen Fotos auf die Faktoreien „der Firma Jantzen + Thormählen“ verweist. Sieben Fotos stammen aus „Eloby“, drei aus „Malimba“, zwei aus „Gabun“, und je eines aus „Bata“ und „Big Batanga“. Die Fotos aus Gabun zeigen auf der Rückseite den Stempel des Fotografen: „F. W. Joaque, Photographer, Gaboon“. Auf zwei Fotos, die in der Faktorei auf der Kleinen Elobey-Insel (Elobey Chico, Äquatorialguinea) gemacht wurden, sind die abgebildeten Menschen deutlich zu erkennen. Die rückseitige Beschriftung weist sie als „Kroo“ aus. Das ist im ersten Moment erstaunlich, denn die Kru stammen von der Küste Liberias, die von Elobey Chico gute 2.300 km Luftlinie entfernt liegt. Bei genauerem Hinsehen eröffnet sich eine erstaunliche Geschichte innerafrikanischer Arbeitsmigration. Die als „Krooboys“ oder „Krumen“ bezeichneten Kru wurden seit dem 18. Jahrhundert von den Europäern als Seeleute angeheuert. Sie hatten unter den Europäern einen guten Ruf, galten sie doch als stark, gewissenhaft und fleißig. Im 19. Jahrhundert wurden sie als ungelernte Arbeitskräfte von europäischen Händlern oder Kolonialbeamten angeworben, meist mit ein- oder zweijährigen Verträgen. Allerdings machten es sich die Europäer sehr einfach, denn unabhängig von ihrer wahren Herkunft/Ethnie bezeichneten sie alle in Liberia angeworbenen Arbeiter als „Kru“. Jane Martin nennt sieben verschiedene Ethnien, die als „Krooboys“ bezeichnet wurden. Sie konnte auch zeigen, dass sich bei dem Stamm der Grebo vor allem die jungen Männer anwerben ließen, die der kinibo-Altersklasse angehörten. Von den Mitgliedern dieser Altersgruppe wurde erwartet, dass sie ein Training für das spätere Leben absolvierten. Traditionell wurde darunter die Vorbereitung auf den Kriegerstatus verstanden (die Grebo, Kru und andere Ethnien führten mehrfach bewaffnete Widerstände gegen die US-Liberianer), offensichtlich kam die Zeit im Dienst von Europäern dem gleich. Die „fleißigen“ und „geschätzten“ „Krooleute“ verfolgten mit ihrer Anwerbung also durchaus eigene Ziele.
Das aufgeschlagene Kassenbuch der Firma Jantzen & Thormählen, das in der gegenwärtigen Ausstellung der Bismarck-Stiftung zu sehen ist, weist einen interessanten Posten auf, der in der Forschung bislang nur wenig Beachtung gefunden hat: der Verkauf von „eth[n]ogr. Gegenstände[n]v. Kamerun“ als Zusatzverdienst der Handelshäuser. Um welche Gegenstände es sich handelte, von wem und wie sie erworben wurden, ist dem kurzen Eintrag nicht zu entnehmen, ebenso wenig wie eine Aussage, an wen die Objekte verkauft worden sind. Das bleibt Gegenstand weiterer Nachforschungen, die genauso wünschenswert wären, wie eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Firma selbst.
Quellen:
Aanderud, Kai-Axel, 2012, Immer wieder Afrika what else?. 175 Jahre // years C. Woermann – 1837-2012. Herausgegeben von Volker Kuppe und Detlev Woermann. Hamburg. (abgerufen unter: http://www.aanderud-consulting.com/uploads/PDF/Woermann-Festschrift%202012-10.pdf, 30.7.2018).
Martin, Jane, 1985, Krumen „Down the Coast“. Liberian Migrants on the West African Coast in the 19th and Early 20th Centuries. In: The International Journal of African Historical Studies, Vol. 18, No. 3, S. 401-423. (abgerufen unter: https://www.jstor.org/stable/218646?read-now=1&loggedin=true&seq=1#page_scan_tab_contents, 28.7.2018).
Rudin, Harry R. 1938, Germans in the Cameroons 1884-1914. A Case Study in Modern Imperialism. New Haven, Yale University Press. (abgerufen unter:https://archive.org/stream/germansincameroo00rudi/germansincameroo00rudi_djvu.txt, 27.8.2018).
https://de.wikipedia.org/wiki/Jantzen_%26_Thormählen
https://en.wikipedia.org/wiki/Jantzen_%26_Thormählen
https://www.deutsche-biographie.de/sfz36998.html
https://de.wikipedia.org/wiki/King_Bell
http://www.afrika-hamburg.de/globalplayers3.html
http://www.afrika-hamburg.de/globalplayers2.html
http://www.bpb.de/apuz/202989/bismarck-und-der-kolonialismus?p=all
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/kolonialpolitik.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Liberias#Auf_dem_Weg_zur_Unabhängigkeit
https://www.petervogenbeck.de/articles/articledocs/Kamerun/Woermann_Schmidt.pdf
Dr. Carl-Häberlin-Friesen Museum (Inventarnummer S 152)
Entfernungsrekord geschlagen! Über 15.000km von Schleswig-Holstein entfernt
15.841 km Luftlinie bis Schleswig-Holstein
Das vorgestellte Objekt hält in unserem Projekt einen Entfernungsrekord: Sein Ursprungsort liegt 15.841 km entfernt in der Südsee. Es handelt sich um ein sisioder vuasagale genanntes Halsband von den Fidschi-Inseln. Es ist aus acht gelochten Pottwalzähnen gefertigt, die mit einer Schnur aus Kokosfaser verbunden sind. Die Schnur weist allerdings Reparaturen mit einer helleren Faser auf. Der längste Zahn misst 10 cm. Die Kette ist von heller, natürlicher Farbe und scheint daher „neueren“ Datums zu sein.
Annäherung 1: Der Pottwal und seine Zähne Pottwale kamen/kommen in die polynesischen Gewässer, um sich dort zwischen Juni und August fortzupflanzen. Sie gehören zu den Zahnwalen und besitzen je nach Größe und Alter zwischen 25 und 50 Zähne auf dem Unterkiefer. Die größten sind etwa 20 cm lang und wiegen bis zu 1 kg. Die Pottwale wurden von den Polynesiern nicht gejagt. Die Zähne stammten von toten Tieren, die gelegentlich an den Stränden anlandeten, vor allem an den Stränden von Tonga. Interessanterweise waren die Zähne aber vor allem im weit entfernten Fidschi begehrt. Da sie dementsprechend wertvoll waren, wurden sie nur von hochgestellten Persönlichkeiten getragen. Die großen Zähne wurden einzeln an Schnüren befestigt, die kleineren zu Ketten verarbeitet. Vor allem erstere wurden sorgsam gepflegt und z. B. mit Kokosöl eingerieben oder geräuchert, um ihnen einen braunen Schimmer zu geben. Auch erhielten sie bisweilen individuelle Namen. Vor allem aber waren sie wertvolle Gaben bei wirtschaftlichen oder sozialen Transaktionen. Auch heute noch spielen sie eine wichtige Rolle bei Heiraten oder werden hochgestellten Persönlichkeiten verliehen, wie z. B. der Königin von England. Auch Ketten aus mehreren Zähnen waren ein wertvoller Besitz. Sie zeigten den Rang seines Trägers an und wurden unter den Häuptlingen „getauscht“, um sich militärische oder politische Unterstützung zu sichern.
Annäherung 2: Die Beziehungen zwischen Tonga und Fidschi Knapp 770 km trennen Tonga von Fidschi (zum Vergleich: Flensburg und München sind 754 km Luftlinie voneinander entfernt). Ein heutiges Schiff mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 Knoten (18,52 km/h) benötigt für diese Strecke fast 2 Tage. Für die Bewohner beider Inseln war diese Entfernung kein Hindernis. Vielmehr herrschte ein reger Handelsverkehr mit hochseegängigen Booten, die mit ihren geflochtenen Segeln eine Höchstgeschwindigkeit von 15 Knoten erreichten. Allerdings stammte das Holz der tongaischen Schiffe aus Fidschi und war Bestandteil der fidschianischen Handelsgüter, während die Tongaer u. a. die begehrten Walzähne mit sich führten.
Annäherung 3: Walfänger und Händler im Südpazifik 1788/89 begannen die Europäer mit dem kommerziellen Walfang im Südpazifik. Von 1820 bis etwa 1860 waren vor allem US-amerikanische und britische Walfangschiffe in den Gewässern von Fidschi unterwegs. Um sich mit Frischwasser und Nahrungsmitteln zu versorgen oder um neue Crewmitglieder anzuwerben, liefen sie die Häfen nahegelegener Inseln an, so auch die auf den Fidschi-Inseln. Bereits 1804 setzte ein Sandelholzboom ein, später folgten Seegurkenhändler und Baumwollpflanzer. Sie alle wurden auf Fidschi schnell mit dem Wert der Walzähne konfrontiert, die als Bezahlung oder als Geschenk zur Eröffnung von Verhandlungen verlangt wurden. So kam es, dass die Handelsschiffe oft Hunderte von Walzähnen mit sich führten und die Summe der auf Fidschi kursierenden Walzähne und Walzahnketten anstieg. Parallel dazu entwickelte sich der Ort Levuka auf der Insel Ovalau zu einem bedeutenden Handelsplatz, in dem vermutlich auch Ethnographica als Andenken an die Seeleute verhandelt wurden.
Annäherung 4: Von Fidschi nach Deutschland Leider ist der Name dessen, der die Kette dem Museum übergegeben hat, nicht überliefert. Daher sind die genaueren Umstände des Erwerbes nicht bekannt. Hier sind verschiedene Szenarien denkbar: Ausgehend von der Bedeutung der Ketten auf Fidschi, kann sie nicht jedem Beliebigen überreicht worden sein. Hat der Sammler sie verliehen bekommen, weil man sich erhoffte, er ginge mit der Annahme des Geschenks eine Verpflichtung ein? Wenn ja, wird er kein einfacher Matrose gewesen sein, sondern eher ein regelmäßig erscheinender Kapitän oder ein ansässiger Händler etc.. Anders sieht es aus, wenn die Kette in einem Geschäft im Hafen erstanden wurde. So ist bekannt, dass der britische Fotograf Francis Dufty, der sein Studio in der Stadt Levuka hatte, auch mit „Kunstgewerbe“ handelte und ethnographische Gegenstände u.a. als Requisiten nutzte. Eher unwahrscheinlich dagegen ist das Szenario, unrechtmäßig an diesen wertvollen und gut behüteten Gegenstand gelangt zu sein.
Literatur
Brown, Deidre und Peter Brunt, 2012, After Lapita: Voyaging and Monumental Architecture c. 900 BC – c. AD 1700. In: Brunt, Peter, Nicolas Thomas, Sean Mallon et.al., 2012, Art in Oceania. A New History. London. S. 64.
Grijp, Paul van der, 2007, Tabua Business: Re-circulation of Whale Teeth and Bone Valuables in the Central Pacific. In: The Journal of the Polynesian Society, Bd. 116: S. 341-356.
Grijp, Paul van der, 2009, Art and Exoticism: An Anthropology of the Yearning for Authenticity. Münster. S. 270-273.
Neich, Roger und Fuli Pereira, 2004, Pacific Jewelry and Adornment. Honolulu, S. 18, 140, 141.
Thode-Arora, Hilke, 2001, Tapa und Tiki. Die Polynesien-Sammlung des Rautenstrauch-Joest Museums. Köln, S. 290.
Vanderstraete, Anne, 2016, Monnaies. Objets d’Échange. Genève, S. 196.
Historisches Foto eines Mannes aus Fidschi mit einer Wahlzahnhalskette: https://museumsvictoria.com.au/fiji/details.aspx?pid=764&Mode=ByKeyword&Topic=
Foto: Queen Elizabeth bekommt einen tabua-Zahn überreicht, siehe http://www.numismaster.com/ta/numis/Article.jsp?ArticleId=28290
https://museumsvictoria.com.au/fiji/details.aspx?pid=866&Mode=ByKeyword&Topic=
http://collectie.wereldculturen.nl/Default.aspx#/query/0ead484f-f954-43c7-874a-3e52f0720fe0
https://www.youtube.com/watch?v=9r7phYtK16I
http://www.nzmuseums.co.nz/account/3032/object/49644/whale-tooth-pendant-tambua
https://sea-distances.org/
https://www.fortross.org/lib/70/a-brief-history-of-pacific-coast-whaling.pdf
https://www.nytimes.com/2017/04/11/world/asia/suva-fiji-tabua.html
https://www.fijimarinas.com/whales-in-fijian-culture/
https://www.doc.govt.nz/Documents/conservation/native-animals/marine-mammals/whales-in-the-south-pacific.pdf
http://nzetc.victoria.ac.nz/tm/scholarly/tei-BesCano-t1-body-d6-d2-d12.html
https://core.ac.uk/download/pdf/5101737.pdf
http://www.jps.auckland.ac.nz/docs/Volume122/JPS_122_2_03.pdf
https://www.royalcollection.org.uk/collection/60250/tabua
http://virtual.fijimuseum.org.fj/index.php?view=gallery&id=5
http://maa.cam.ac.uk/category/fiji-home/duftys-photo-studio/
Tuch und Technik Museum Neumünster
Faszination Peru/Anden II: Textilien
Aufgrund der klimatischen Bedingungen in den peruanischen Wüstengebieten haben sich viele vorspanische Textilien in Peru erhalten. Weit mehr als nur funktionale Bekleidungsstücke, die für den Eigenbedarf produziert wurden, waren sie Handelsware, Entlohnung von Soldaten, Geschenke zwischen Herrschern, Opfergegenstände, Grabbeigaben etc. Auch Status und Beruf seines Trägers wurden mit Textilien ausgedrückt.
Was die Fertigung angeht, zeugen die Textilien von der hohen Könnerschaft und technischen Brillanz der Weberinnen und Weber, die diese Kunstwerke an - aus westlicher Sicht – „einfachen“ und mobilen Rückenwebstühlen gefertigt haben. Einer dieser Webstühle aus der Inkazeit wurde 1615 in der Chronik von Guaman Poma de Ayala abgebildet.
Als Materialien benutzten die Weberinnen und Weber sowohl Wolle (von Lama, Alpaca etc.) als auch Baumwolle. Sie verwendeten sie entweder in ihren zahlreichen Naturtönen oder färbten sie ein. So zum Beispiel gewannen sie bereits 1.500 Jahre vor den alten Ägyptern aus Indigo Blautöne.
Eine besondere textile Technik ist das „Umfassende Verschlingen“ („cross-knit looping“). Mit ihr wurden dreidimensionale Borten hergestellt und an Tüchern befestigt, die i.d.R. an Kopfbedeckungen von Mumienbündeln nachzuweisen sind. Das abgebildete Beispiel, das aus der frühen Nasca-Kultur stammt (Early Nasca Phase, 90 – 325 n.Chr.), ist nur ein kurzes Teilstück einer solchen Borte. Deutlich sind in – immer noch - leuchtenden Farben kleine Kolibris zu erkennen, die aus Blüten Nektar saugen.
Die Begeisterung für Textilien aus den Anden ist ungebrochen. Auch viele neuere Textilien fanden und finden ihren Weg in die Museen. Stellvertretend ist hier ein Beutel zur Aufbewahrung von Coca-Blättern gezeigt. Er wurde vermutlich um 1940 hergestellt. Auch wenn das Maschenbild dem oben gezeigten Objekt ähnelt, der wollene Beutel ist in einer ganz anderen Technik hergestellt: Er wurde gestrickt. Diese Technik wurde von den Europäern übernommen. Das Muster zeigt drei breitere weißgrundige Reihen, die mit menschlichen und tierischen Motiven gefüllt sind. In der Mitte sind Männer und Frauen zu sehen, die sich an den Händen halten. Eingerahmt werden sie von je einer Reihe mit stattlichen Stieren. Die ersten Tiere dieser Art wurden im heutigen Gebiet von Bolivien um 1548 von den Spaniern eingeführt und verbreiteten sich schnell über das Hochland.
Literatur
https://www.pbs.org/newshour/science/blue-jeans-6000-year-old-peruvian-ancestor
https://acllahuasi.com/en/articulos-investigaciones/anillado-cruzado/
http://art.famsf.org/knit-bag-chuspa-1992107171
https://de.scribd.com/document/322910779/Bovino-Criollo
Paul, Anne, 2007, Diversity and Virtuosity in Early Nasca Fabrics. In: Andean Past, Vol. 8: S. 375-406. Abgerufen als pdf unter:
https://digitalcommons.library.umaine.edu/cgi/viewcontent.cgi?referer=https://www.google.de/&httpsredir=1&article=1138&context=andean_past
Bjerregaard, Lena und Torben Huss, 2017, PreColumbian Textiles in the Ethnological Museum in Berlin. University of Nebraska Press. Abgerufen als pdf unter: https://digitalcommons.unl.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1052&context=zeabook
Fotonachweis: Guaman Poma de Ayala, Phelipe, 1615, Nueva corónica y buen gobierno. Dibujo 80, S 215(217).http://www.kb.dk/permalink/2006/poma/217/es/text/?open=idp267968
Skatclub e.V. Marne, Nolde Stiftung Seebüll und Industriemuseum Elmshorn
Faszination Peru I
Erstaunlich häufig finden sich Objekte aus Alt-Peru in den bisher besuchten Museen. Bisweilen gehören sie zum so genannten „Altbestand“ und waren bereits vor der offiziellen Gründung der Museen im Objektbestand vorhanden. Sie stammen oft von Sammlern, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Peru lebten und arbeiten und sich für die Kultur ihrer neuen Heimat begeisterten. Es ist nicht auszuschließen, dass sie als Mitglieder der deutschen Gemeinschaft oder des Clubs Germaniain Lima Interesse an und Zugang zu den Arbeiten der deutschen Archäologen hatten, die in Peru tätig waren und die Archäologie Perus begründeten. Hervorzuheben wären hier Wilhelm Reiß und Alphons Stübel, die ersten Ausgräber im Gräberfeld von Ancón (1874/75) und Max Uhle in Nasca (1906) bzw. in Chimú (1913).
Die schwarzgebrannte Keramik stammt von Angehörigen der Chimú-Kultur. Das Reich der Chimú entwickelte sich seit etwa 1100 n. Chr. an der peruanischen Nordküste und wurde etwa im Jahr 1470 von den Inka besiegt. Die Hauptstadt Chan-Chan gilt mit ihren bis zu 100.000 Einwohnern als größte vorspanische Stadt Südamerikas. Ihre Ruinen wurden 1986 zum Weltkulturerbe erklärt. Typisch für die mit Modeln hergestellte Keramik von Chimú sind Verzierungen mit Flachreliefs auf gepunkteten Untergründen. Dieser Stil wurde auch nach der Eroberung durch die Inka weitergepflegt. In den vorgestellten Beispielen sind Schlangen und Seevögel zu erkennen. Letztere, die das Land mit dem wichtigen Guano-Dünger versorgten, galten als Zeichen der Fruchtbarkeit.
Die bunten Gefäße stammen aus der Nasca-Kultur (200 v. Chr. – 650 n.Chr.), die sich in der südperuanischen Küstenwüste entwickelte, einer der extremsten Klimaregionen der Erde. Berühmt sind die „Nasca-Linien“ genannten Geoglyphenin der Wüste, auch sie sind Weltkulturerbe. Die bunte Keramik von Nasca weist eine reiche Bildsprache auf, die Rückschlüsse auf Lebensweise und Glaubensvorstellungen dieser Kultur gibt. Auch zahlreiche Darstellungen von Tieren, meist Vögel, sind zu finden. Die Malereien sind so detailgenau, dass mehr 20 verschiedene Vogelspezies bestimmt werden konnten. Das erste Beispiel zeigt einen Kolibri, das zweite eine (noch) nicht bestimmte andere Vogelart.
Die hier gezeigten Objekte stammen aus folgenden Museen: Marne, Seebüll und Elsmhorn
Weiterführende online Literatur und Quellen:
http://www.museodeancon.com/arqueologiaenancon-investigaciones.htm
https://australianmuseum.net.au/chimu-pottery-and-its-meaning
https://www.khanacademy.org/humanities/art-americas/south-america-early/chim-culture/a/introduction-to-the-chim-culture
Pardo, Cecilia und Peter Fux, 2017, Nasca-Peru. Archäologische Spurensuche in der Wüste.
Proulx, Donald A., 2006, A Sourcebook of Nasca Ceramic Iconography. University of Iowa Press.
Haus der Natur in Cismar (Inventarnummer Cis 7)
Der Krieg der Schnecken
Das März-Objekt, das sich im Haus der Natur in Cismar befindet, entführt uns diesmal in die Südsee, genauer gesagt nach Französisch-Polynesien, auf die Inseln Huahine, ca. 175 km nordwestlich von Tahiti. Huahine besteht aus 10 Inseln und wurde 2007 von knapp 6.000 Menschen bewohnt. Die zwei Hauptinseln Huahine Nui und Huahine Iti, sind Vulkaninseln, die bis zu 669 m und 460 m hoch sind. Dort – und nur dort - lebte die nachaktive Baumschnecke Partula rosea. Die Schnecke ist, wie die Biologen sagen, endemisch in Huahine. Aus leeren Schnecken und Muschelgehäusen fertigten die Bewohner Schmuckketten, zum Eigengebrauch, aber auch als Geschenke und zum Verkauf an Touristen. 1992 erhielt das Haus der Natur in Cismar eine Kette aus den Gehäusen der kleinen Landschnecke als Geschenk von Elisabeth Kersten, die sie, leider ohne weitere Datierung, aus Huahine mitgebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die kleine Baumschnecke bereits in ihrem Bestand gefährdet. Denn in den 1970er Jahren wurde die aus Amerika stammende fleischfressende Rosige Wolfsschnecke, Euglandina rosea (Gehäuselänge max. 10 cm), auf Huahine eingeführt, die ihrerseits die sich schon vor dem Zweiten Weltkrieg im Pazifik ausbreitende afrikanische Große Achatschnecke, Achatina fulica (Gehäuselänge 15 cm), dezimieren sollte. Dies tat sie kaum, denn die kleinen einheimischen Partula-Arten waren als Beute viel verlockender als die riesigen zähschleimigen Achatschnecken. Heute ist die kleine Baumschnecke Partula rosea in freier Wildbahn ausgestorben. Die Art lebt nur noch in Erhaltungszuchten in wenigen Zoos. Bei einer im Sommer 2017 durchgeführten Untersuchung auf Huahine konnte keine Euglandina-Schnecke mehr gefunden werden, allerdings frische Gehäuse von Achatina auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche. Die Wolfschnecke hat auf den Pazifischen Inseln 52 Partula-Schneckenarten komplett ausgerottet, 11 weitere überlebten nur in menschlicher Obhut.
Die „harmlose“ an Touristen verkaufte Kette erzählt von der anderen Seite der Globalisierung, von unbedachten Eingriffen in natürliche Ökosysteme und von der Ausrottung seltener Arten.
Tipp: Im Frühjahr 2018 wird in Cismar eine kleine Sonderausstellung über bedrohte Schnecken- und Muschelarten eröffnet, in der mehr über Partula rosea und ihr Schicksal zu erfahren sein wird.
Literatur
https://de.wikipedia.org/wiki/Huahine
https://www.telegraph.co.uk/news/uknews/1579508/The-little-snail-in-big-trouble.html
http://www.iucnredlist.org/details/16293/0
https://islandbiodiversity.com/Partulacons.htm
https://islandbiodiversity.com/euglandina.htm
https://islandbiodiversity.com/Partula2017.htm
Überseemuseum Fehmarn (Inventarnummer GÜ280):
Falschgeld made in … China, Japan, Germany?
Was wertvoll ist, läuft Gefahr, gefälscht zu werden. Ob der 50 Euro-Schein heute oder chinesisches Ming-Porzellan im 17. Jahrhundert: künstlerische und technische Fähigkeiten gepaart mit krimineller Energie bringen - vereinfacht - entweder Geld oder Gefängnis. Auch die Kolonialgeschichte ist voll von Wirtschaftsverbrechen. Falschgeldherstellung und Inumlaufbringen von Falschgeld ist eines davon. Geahndet wurden sie nie, doch zumindest gelang es nicht immer, die indigene Bevölkerung zu hintergehen und zu täuschen.
In vielen Teilen der Welt war die Meeresschnecke Cypraea moneta bzw. Monetaria moneta - auch als Kaurischnecke bekannt - die Währung schlechthin. Sie war fälschungssicher, leicht und doch schwer zerbrechlich, von Ozeanien bis Afrika als Währung anerkannt und nicht anfällig für Korrosion, bis, ja bis die Hamburger Firma Adolph Jacob Hertz Söhne auf die Idee kam, die kleinen Geldschnecken durch eine größere Art (Cypraea annulus) zu ersetzen, sie in Sansibar, wo sie zum Kalkbrennen benutzt wurde, aufzukaufen und versuchsweise auf den westafrikanischen Markt zu bringen. Es glückte, sie verdienten reichlich Gold und bekamen mit der Hamburger Firma Wilhelm O’swald & Co. einen Geschäftskonkurrenten. Innerhalb von 15 Jahren fluteten sie Westafrika mit 150 bis 200 Tonnen dieser Schnecken, brachten zuletzt immer schlechtere Exemplare auf den Markt und lösten eine Hyperinflation aus.
Etwas Ähnliches passierte auch auf den zu Papua Neuguinea gehörenden Admiralitätsinseln. Hier wie an anderen Orten Papua Neuguineas galten Hundezähne als Währung – vor allem bei rituellen Zahlungen wie Brautpreisen etc.. „Findige“ Händler importierten Anfang des 20. Jahrhunderts Hundezähne aus der Türkei und China, was schon vor 1914 auf den Admiralitätsinseln zu einem Preisverfall führte. Eine zeitgleich verlaufende andere Form der Falschmünzerei hatte anscheinend keinen Erfolg. Die Fälschungen waren zu schlecht, um von der lokalen Bevölkerung ernst genommen zu werden. Es handelt sich um den Versuch, die Hundezähne in Porzellan nachzumachen. Es lässt sich im Augenblick nicht mehr feststellen, wann die Zahnkopien erstmalig eingeführt wurden, vermutlich aber von deutschen Plantagenbesitzern, die damit ihre indigenen Arbeiter entlohnen wollten. Später scheinen Chinesen und Japaner auf die gleiche Idee gekommen zu sein. Fest steht nur, dass in diesem Fall künstlerisches Können und kriminelle Energie auseinanderklafften: Die Zahnkopien wurden nicht als ernst zu nehmende Währungseinheit gewertet, auch wenn man sie als dekoratives Element verwendete. Bei der Fehmarner Kette(?) kann man, inmitten von 40 geldwerten Hundeeckzähnen, sehr schön die zwei Porzellanzähne erkennen, denen man sofort ansieht, dass sie unecht sind und die nur der Verzierung dienten.
Literatur:
Bückendorf, Jutta
1997 „Schwarz-weiß-rot über Ostafrika!“ Deutsche Kolonialpläne und afrikanische Realität. Münster, S. 152.
Daalder, Truus
2009 Ethnic Jewellery and Adornment. Australia, Oceania, Asia, Africa. Adelaide, Melbourne, S. 127.
Einzig, Paul
1961 [1949] Primitive Money in its Ethnological, Historical and Economic Aspects. London. S. 69- 72, 75- 79, 90.
(https://archive.org/stream/in.ernet.dli.2015.190322/2015.190322.Primitive-Money#page/n71/mode/2up)
Neich, Roger und Fuli Pereira
2004 Pacific Jewelry and Adornment. Honolulu.S. 19, 52, 53
Ohnemus, Sylvia
1996 Zur Kultur der Admiralitäts-Insulaner: die Sammlung Alfred Bühler im Museum für Völkerkunde Basel. Basel.
Stuhlmann, Franz
1909 Beiträge zur Kulturgeschichte von Ostafrika. Allgemeine Betrachtungen und Studien über die Einführung und wirtschaftliche Bedeutung der Nutzpflanzen und Haustiere mit besonderer Berücksichtigung von Deutsch-Ostafrika. Berlin. S 782-789.
(https://archive.org/stream/beitragezurkultu00stuh#page/782/mode/2up)
https://www.welt.de/finanzen/article161574101/Eine-Euro-Note-wird-besonders-oft-gefaelscht.html
keramische Nachbildungen von Armringen aus Tridacna gigas: https://www.jstor.org/stable/42905915
http://www.solomonencyclopaedia.net/biogs/E000191b.htm
Museum für Archäologie und Ökologie Dithmarschen (Inventarnummer New Jersey a-f)
Bevor die Europäer kamen: steinerne Zeugen indianischer Vergangenheit in Albersdorf
Eine kleine Plastiktüte mit sechs grauschwarzen Pfeilspitzen, die zwischen 2,1 cm bis 4 cm lang und 1,7 cm bis 2,9 cm breit sind. Dazu ein handschriftlicher Zettel mit Text: „All points from Sussex County, New Jersey; 3 Triangle points from 250 to 1200 years old, 3 shoulder points rangeing in age from 900 years to 3500 years, all points are made from flint, founded by Bob Dunay“ und auf der Rückseite ist in anderer Handschrift geschrieben: „übergeben Hubert Noel[….]“. Sussex County ist das nördlichste und bergreichste County New Jerseys, es liegt quasi hinter der Stadt New York, an der Grenze zu den Bundesstatten New York und Pennsylvania. Es umfasst 1.388 Quadratkilometer und ist damit etwa so groß wie der Kreis Segeberg. Der deutschstämmige Max Schrabisch (1869-1949), der in seinen Zwanzigern in die USA auswanderte, gilt als der erste professionelle Archäologe New Jerseys. Er stellte im Sussex County 234 prähistorische indianische Wohnstätten fest, 25 „rock shelter“, sowie Begräbnisstätten und anderes mehr und konnte zeigen, dass seit dem Ende der Eiszeit Indianer in Sussex County gelebt haben. Sie waren die Vorfahren der Lenape, was übersetzt „wahre Menschen“ bedeutet, und die bei uns bekannter sind unter dem Namen „Delawaren“.
Die ausgewählten Steinspitzen erzählen eine für uns erstaunliche Geschichte von Indianern und Pfeil und Bogen. Dies bildet zwar in unseren Köpfen eine feste Einheit, tatsächlich aber wurde der Bogen nicht immer und überall genutzt. Die Spitzen New Jersey a-c gehören dem Bare Island-Typ an und entstanden zwischen 2.000 vor bis 1.000 nach Chr. Sie waren für Speere gedacht, die mittels eines Speerwerfers geschleudert wurden. Die Spitzen d-f dagegen wurden mit dem Bogen abgeschossen, der im östlichen Waldland Amerikas erst um etwa 500 -750 n. Chr. nachzuweisen ist (Justice 1987: 10). Zu dieser Zeit waren die Indianer mobile Gartenbauern und pflanzten die aus dem Süden gekommenen „heiligen drei Schwestern“ Mais, Bohne und Kürbis an. Der Ertrag von Jagd und Fischfang sowie wilde Beeren, Erdnüsse und Gemüse ergänzten den Speiseplan. Auch Tabak wurde angebaut. Die Bevölkerung wohnte in runden Wigwams mit Kuppeldach oder in großen Langhäusern. Erste Kontakte mit den Europäern gab es vermutlich schon im frühen 16. Jahrhundert. Man schätzt, dass etwa 15.000 Lenape vor der Ankunft er Europäer in New Jersey lebten. Im Jahr 2000, bei der letzten Volkszählung, waren nur 0,11% der Bevölkerung New Jerseys Indianer, also 9.255 Menschen.
Literatur:
Justice, Noel D.
1987 Stone Age Spear and Arrow Points oft he Midcontinental and Eastern United States. A modern survey and reference. Bloomington. S. 10, 128, 129, 215-217, 228.
Ritchie, William A.
1961 A Typology and Nomenclature for New York Projectile Points. New York State Museum and Science Service, Bulletin Number 384, Albany, S. 14-15,28, 31-32, Plates 2, 3, 12, 15.
Schrabisch, Max
1915 Indian Habitations in Sussex County New Jersey. Bulletin 13. Geological Survey of New Jersey. S 7-73.
http://www.njherald.com/20161120/sussex-countys-native-american-legacy#//
https://newjerseyarchaeology.wordpress.com/2015/12/11/max-schrabisch/
http://www.njskylands.com/hs_lenape_083
http://www.pdcbank.state.nj.us/dep/njgs/enviroed/oldpubs/bulletin13.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Lenni_Lenape
http://www.state.nj.us/state/museum/dos_museum_exhibit-original-people.html
http://www.nj.gov/dep/hpo/1identify/pg_139_LateWdlndPeriodNJKraft_Mounier.pdf
https://de.wikipedia.org/wiki/Lenni_Lenape
http://www.womenhistoryblog.com/2008/02/native-americans-of-new-jersey.html
Nordfriesland Museum Husum. Nissenhaus (Inventarnummer o.Nr. 1491)
Ein Werbegeschenk klärt auf
Der Fächer o.Nr. 1491 aus Husum
Schon oft habe ich mich gefragt, warum unter den kolonialen Andenken aus Ostasien so viele Objekte aus Japan sind. Der Fächer o.Nr. 1491 aus Husum hält eine überraschende Antwort auf die Frage bereit. Der 40,7 cm hohe und 22,3 cm breite beidseitig bedruckte japanische Flachfächer aus Papier zeigt auf der einen Seite eine Geige spielende Japanerin. Die andere Seite wartet mit einer Überraschung auf. Unter dem Portait des japanischen Admirals Tōgō Heihachirō (1848-1934) und dem Bild eines modernen Kriegsschiffes steht in Mayuskeln: „T. Takahashi. Photograph. Tsingtau“. Tatsächlich ist das Photoatelier T. Takahashi ab 1902 in den Adressbüchern des Deutschen Kiatschou-Gebietes nachweisbar, zunächst in der Kiautschoustraße, ab 1905 mit einer zusätzlichen Zweigstelle in der Hohenzollernstraße und ab 1907 in der Friedrichstraße und 1941 in der Shantung Road. Takahashi Tokuo war 1904 einer von 152 Japanern, die in der Stadt ihren Geschäften nachgingen (1913: 205). Neben dem Photogeschäft, das bis zu 6 Photographen beschäftigt hatte, konnte man aber auch „Aquarellmalereien, Stickereien und Japanwaren“ erstehen. Takahashi war aber nicht das einzige Geschäft, das „Japanwaren“ in der chinesischen Stadt vertrieb, 1914 gab es mindestens fünf davon. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Erinnerungen von Jacob Neumaier an seine Rückkehr aus japanischer Gefangenschaft, die ihn über Qingdao (Tsingtau) führte. Er schreibt: „Wir gingen noch zu Takahashi, dem japanischen Photographen und Raritätenhändler, bei dem wir in Friedenszeit meist unsere Andenken an China und japanische Bilder, Seidenstickereien, Postkarten und Lackwaren einkauften. Er empfing uns selbstverständlich äußerst höflich. Wir kauften kleine Andenken und er schenkte uns noch Postkarten, Fächer, und andere Kleinigkeiten“ (http://www.tsingtau.info/index.html?biographien/neumaier8.htm). Bei dem Husumer Fächer dürfte es sich um eines ebenjener Werbegeschenke handeln. Und zugleich wäre geklärt, dass so manches Andenken aus dem ehemaligen Tsingtau (Qingdao) aus einem japanischen Geschäft stammte und – wie der Fächer – japanischen Ursprungs war. Da es vermutlich sehr viele Fächer dieser Art gegeben haben wird, sie aber Gebrauchs- und Wegwerfobjekte waren, grenzt es an ein kleines Wunder, dass sich der Fächer erhalten hat. Und er regt an, sich genauer mit der internationalen Zusammensetzung kolonialer Städte zu beschäftigen.
Literatur
Matzat, Wilhelm
1998 Alltagsleben im Schutzgebiet. Zivilisten und Militär, Chinesen und Deutsche. S. 106-120. In: Hinz, H.M. und C. Lind: Tsingtau. Ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China 1898-1914. Deutsches Historisches Museum.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tōgō_Heihachirō
http://www.tsingtau.info/index.html?vorkrieg/bevoelkerung13.htm
http://www.tsingtau.info/index.html?biographien/neumaier8.htm
aktuelle Fächerherstellung: https://artsandculture.google.com/exhibit/tgICmVa4iH4rIQ
Nordfriesland Museum Husum. Nissenhaus (Inventarnummer Mal11)
Ein benutzter „Zauberstab“, Tunggal panaluan, der Batak (Sumatra, Indonesien)
Die Husumer Sammlung hält so manche Überraschungen bereit – neben der Tatsache, dass sie deutlich weniger Objekte aus deutschen Kolonialgebieten enthält, als zu erwarten gewesen wäre. Mehrere Sammler sind namentlich bekannt, aber nur über zwei wissen wir ein wenig mehr, und zwar über den seiner Zeit sehr bekannten Weltreisenden und Reiseschriftsteller Ernst von Hesse-Wartegg (1851-1918) (98 Objekte) sowie über den Weltreisenden und Vortragenden Dr. Bruno Schwabe (-1918) (114 Objekte). Von den Sammlern von Hagen (42 Objekte) und Kapitän Grosch (6 Objekte) kennen wir bislang nur ihre Namen. Der 129 cm hohe Zeremonialstab eines Priesters der Batak aus dem bergigen Hochland Nordsumatra, den besagter Kapitän Grosch vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesammelt hat, ist eines von überraschend vielen und frühen Objekten aus Indonesien, die sich in Husum befinden. Stäbe dieser Art waren der wichtigste Ritualgegenstand der religiösen Spezialisten der Batak und wurden von ihnen selbst herstellt und durch das Anbringen eines „Zauberbreis“ wirksam gemacht. Ob dazu wirklich pulverisierte Menschenteile benutzt wurden, wie den Berichten der frühen Missionare und Wissenschaftler zu entnehmen ist, hat noch nie jemand überprüft. Der Husumer Zauberstab weist auf jeden Fall mehrere Stellen auf, die mit einer unbestimmten Masse verklebt sind. Das zeichnet ihn aus ethnologischer Sicht als einen in Benutzung befindlich gewesenen Stab aus.
Im Zuge der Missionierung und der Zunahme an europäischen Reisenden tauchten immer mehr dieser Stäbe in Europa auf. Und einige waren bereits extra für den Verkauf hergestellt. Aus den Berichten der Missionare, vor allem denen der Rheinischen Missionsgesellschaft Wuppertal, die ab 1861 bei den Batak tätig war, wissen wir, dass manche Spezialisten ihre Stäbe nach ihrem Übertritt zum evangelischen Glauben den Missionaren übergaben. In anderen Fällen säuberten die Missionare aber auch in Razzien ganze Gebiete von so genannten Zaubergeräten (Kalb-Pachner 2016:59). Wie und wo der Kapitän an den Stab gekommen ist, muss aber vorerst unklar bleiben. Stattdessen mehren sich die Fragen: Wie hieß der Kapitän mit vollem Namen, wo kam er her? In seiner Sammlung sind 2 Objekte von Chinesen vermutlich aus Batavia oder der Malaiischen Halbinsel, 3 Objekte aus Sumatra und eines aus Java. Welche Schifffahrtsroute verbindet diese Orte? Fuhr er auf einem niederländischen oder englischen Schiff vielleicht den Hafen von Medan, Sumatra, an und erstand dort den Stab? War er mit einem Missionar bekannt? Gab es so genannte Curio-Läden, in denen Ethnographica verkauft wurden, in den in Frage kommenden Hafenstädten Sumatras?
Literatur
Kalb-Pachner, Anne-Rose
2016 Zauberstäbe und datu der Batak. Zeugen der vorkolonialen Kultur. Berichte in alten und neuen Quellen insbesondere jenen der Rheinischen Missionsgesellschaft. Online-Veröffentlichung der gleichnamigen Bachelorarbeit an der FernUniversität Hagen aus dem Jahre 2011. https://www.sidihoni.com/images/downloads/Kalb_Pachner_Zauberstaebe_und_Datu.pdf
Kirstein, Barbara
2014 Vortrag zur Geschichte der ethnographischen Sammlung in Husum, gehalten auf der Frühjahrstagung des Schleswig-Holsteinischen Museumsverbundes im Hamburger Museum für Völkerkunde am 26.5.2014.
Sibeth, Achim
1990 Mit den Ahnen leben. Batak. Menschen in Indonesien. Stuttgart.
2001 Früher Tourismus im Batak-Gebiet, Nordsumatra (Indonesien). In: Bernhardt, Günter und Jürgen Scheffler (Hrsg.) Reisen, Entdecken, Sammeln. Völkerkundliche Sammlungen in Westfalen-Lippe. Bielefeld, S. 38 – 57.
2003 Vom Kultobjekt zur Massenware. Kulturhistorische und kunstethnologische Studie zur figürlichen Holzschnitzkunst der Batak in Nordsumatra / Indonesien. Herbolzheim.
https://en.wikipedia.org/wiki/Medan#Seaport